Will Frauen stärker zeichnen, als es die Literatur tut: Sandra Cervik.

Foto: Andy Urban

STANDARD: Das Stück wurde 1939 uraufgeführt und enthält aus heutiger Sicht einige angestaubte Passagen. Zum Beispiel, dass nur die Brüder erben, nicht die Schwester. Wie gehen Sie damit um?

Cervik: Ich halte die Anachronismen für erstaunlich gering. Ich war erstaunt, wie aktuell das Stück ist. Es spielt in unserer Fassung auch in der Gegenwart, in Amerika. Dort, wo uns Anachronismen aufgefallen sind, haben wir sie analysiert. Dass der Vater den Söhnen sein Geld vererbt und der Tochter nicht, zeigt einfach nur, wie sehr die Brüder schon früh ihre Schwester über den Tisch gezogen haben. Sie hatte als Frau einfach weniger Chancen, hat aber nicht lockergelassen und sich auch fürs Geschäftemachen interessiert.

STANDARD: Weibliche Opferrollen liegen Ihnen nicht sehr, meinten Sie einmal. Wie sieht es mit Regina aus? Sie ist auch eine Verliererin.

Cervik: Ich möchte Frauen einfach stärker zeichnen, als es die Literatur manchmal vorgibt. Lillian Hellman hat zwei wesentliche Statements abgegeben. Sie hat einerseits zu einem frühen Zeitpunkt dem Raubtierkapitalismus den Spiegel vorgehalten. Zum Zweiten ist die Figur der Regina, wenngleich sie keine Symapthieträgerin ist, eine feministische Ansage. Diese Figur behauptet ihr Recht. Ihr Weg ist streitbar, aber es ist ein toller Ansatz. Insofern ist sie kein klassisches Opfer. Sie hat emotional zwar verloren, ist aber zum Schluss die ökonomische Gewinnerin. Das ist selten.

STANDARD: Das ist schon mehr als bei "Nora" von Ibsen.

Cervik: Richtig. Regina geht ebenfalls sehr weit für den Wunsch, jenes Leben zu führen, das sie möchte. Auch dass Die kleinen Füchse keine Utopie bieten, ist sehr modern. Es wird ja keiner erlöst! Die einzige Perspektive ist die Tochter Alexandra, die sagt: "Ich werde genauso hart kämpfen wir ihr, nur auf einer anderen Seite." Damit meinte sie in Hellmans Intention natürlich den Kommunismus. Der ist zwar mittlerweile auch gescheitert. Aber man kann Alexandra auch als Kämpferin für den Humanismus betrachten. Vielleicht ist das heute die einzige Alternative, die uns geblieben ist: echter Humanismus.

STANDARD: Sie sind persönlich ebenfalls mit dem Kaufmännischen in Berührung gekommen, haben im Schokoladengeschäft Ihrer Mutter gearbeitet. Was haben Sie dort gelernt?

Cervik: Meine Mutter hat ein paar Firmen gehabt, sie ist eine gute Wirtschafterin. Im Gegensatz zu mir: Ich und kaufmännisch, das passt gar nicht zusammen. So talentiert wie Regina bin ich also lange nicht.

STANDARD: Wie verlief der Weg von der Handelskauffrauenlehre zur Schauspielschule?

Cervik: Kurz. Die dem Schokoladengeschäft am Graben nächstgelegene Schule war das Konservatorium der Stadt Wien. Das war ums Eck. In einer Mittagspause bin ich hin. Dann habe ich zu meiner Mama gesagt: Ich kündige.

STANDARD: Ist der Titel "Die kleinen Füchse" nicht verharmlosend?

Cervik: Der Titel bezieht sich auf das Bibelzitat. "Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die uns die Weinberge verderben." Er spielt aber auch auf die Hintertriebenheit der Raubtiere an.

STANDARD: Was sind die ungewöhnlichen Facetten an Regina?

Cervik: Faszinierend ist: Männer morden auf der Bühne seit Jahrhunderten, und es kratzt niemanden. Wenn es aber eine Frau ist, wird es immer zum Thema. Die wird dann sofort dämonisiert. Interessant ist also, dass sie so konsequent ihren Weg geht. Besonders ist auch, dass sie ihre Gefühle nicht so nach außen trägt. Frauen in der Literatur sind meist expressiv, tragen ihr Herz auf der Zunge. Regina implodiert eher. Und es gefällt mir auch, dass sie ihre Brüder letztlich doch in die Tasche steckt. Also, ich habe so eine Figur noch nie gespielt.

STANDARD: Sie spielen erneut mit Ihrem Ehemann Herbert Föttinger, wieder ein Ehepaar. Lernen Sie da auch gemeinsam den Text daheim?

Cervik: Bizarrerweise eher getrennt. Ich mache das neben dem Kochen, mein Mann zieht sich ins Arbeitszimmer zurück. Mehr nicht. Es wäre auch nicht lustig, denn es ist wichtig, dass man einander auf der Bühne überrascht. Jeder braucht so sein Geheimnis.

STANDARD: Lillian Hellman ist im Josefstadt-Spielplan der letzten Jahre die einzige Dramatikerin. Ist es so schwierig, Autorinnen zu finden? Ist das für Sie ein Thema?

Cervik: Ich nehme es auch zur Kenntnis. Selbstverständlich wäre es ein großer Wunsch, mehr Stücke von Frauen zu haben, also: "Ich werde das weitergeben!" Interessant ist, dass die Dramaturgie der Josefstadt durchgehend weiblich besetzt ist. Bei meinem Regiedebüt ("Freak" im Theater der Jugend, Anm.) habe ich mich um ein Frauenteam bemüht. Nicht nur aus Prinzip, sondern weil es mir auch Spaß macht. Frauen haben oft einen anderen Zugang. (Margarete Affenzeller, 13.4.2016)