Bruckfleisch lässt sich in etwa zusammenfassen als "Wir leeren eine Kuh in einen Topf und kochen sie": Laut den meisten Rezepten besteht es aus mindestens Herz, Leber, Bries, Milz, Kronfleisch und Aorta, manchmal auch Lungen, die mit Blut zu einem dicken Eintopf geschmort werden. Das ist nicht sonderlich elegant, außer man macht das so, und teilweise ein bisserl schade um die Zutaten – Bries, Leber und Kronfleisch haben sich generell eine bessere Behandlung verdient. Es hat aber einen gewissen wildromantischen Reiz. Und ein Rezept, das Rinderadern verkocht, kann nicht ganz schlecht sein.

Foto: Tobias Müller

Zum Bruckfleischkochen bin ich gekommen, weil ich in den vergangenen Wochen etwas getan habe, was ich sonst nie tue: wienerisch kochen. Ein, zwei Mal im Jahr packt mich der Schnitzelhunger, ansonsten bin ich aber kein großer Fan von dem, was meist als "Wiener Küche" verkauft wird. Dann habe ich mich in Barcelona einen Monat lang zu einem guten Teil vom katalanischen Äquivalent zu Beisl-Essen ernährt – und es war ganz, ganz köstlich. Das hat mich dazu gebracht, mich auch ein bisserl mit dem hiesigen angeblich traditionellen Essen zu beschäftigt.

Das muss auch einmal vielfältiger und interessanter gewesen sein, als all die langweilig- identen Speisekarten der meisten Beisln und Wirtshäuser vermuten lassen. (Hier gibt's einen bösen Essay dazu.) Allein Luise Selevkowitz' Wiener Kochbuch von 1883 enthält stolze 1.926 Rezepte, und selbst aus modernen Büchern wie Gerd Sievers "Beisl-Kochbuch" ließe sich ein Menü zaubern, das jeder chinesischen Festtagstafel würdig ist: Leberpudding, Drei-Nieren-Suppe, Schweinshaxerl mit Kren, gefüllte Milz und Zunge mit Sardellensauce, Stäbchengerecht geschnitten und in großen Schüsseln zum Teilen serviert, erfreut das selbst Abwechslung gewohnte Pekinger Gourmets.

Ich habe jedenfalls ein wenig herumgekocht. Nach einem sehr erfreulichen Erlebnis mit "einbrennte Hund" mit wildem Kerbel und einer wiederaufgeflammten innigen Liebesbeziehung mit Hirn mit Ei (und frühlingsbedingt Morcheln) habe ich mich dann in pubertärem Übermut an den Tyrannosaurus rex der Wiener Küche gemacht: das Bruckfleisch.

Abwechslungsreiche Konsistenz

Das wird gern als Musterbeispiel der Wiener Innereienküche zitiert, stets mit dem Hinweis, dass so etwas ja heute leider kaum mehr zu bekommen sei. Seine Fans brechen bei seiner Beschreibung gern in nostalgische Lobeshymnen aus, ich würde es eher als interessant bezeichnen. Der Eintopf liegt zumindest weit jenseits von moderner Beisl-Langeweile und Einheitsbrei, der Geschmack ist animalisch-herb, süß von diversem Wurzelwerk, erdig-zartbitter von Leber und Blut. Die sehr verschiedenen Bestandteile sorgen für eine sehr abwechslungsreiche Konsistenz von Aorta-knackig bis Milz-weich; das Blut verleiht dem Ergebnis eine unerhört kräftig-satte Farbe und Konsistenz – und es ist ein Erlebnis, es in den Topf zu kippen und bei seiner Verwandlung von beuschelartig in "Nicht ganz von dieser Welt" zuzusehen.

Der Legende nach soll es für Schlachthausarbeiter gekocht worden sein, aus jenen Teilen, die auf der "Schlachtbrücke" (dem Raum, in dem abgestochen wird) zurückgelassen wurden. Wenn Sie also möglichst nah an einem authentischen Original sein wollen, tun Sie sich beim Innereiensammeln nicht allzu viel an und nehmen Sie, was Sie kriegen können. Die einzige Zutat, die schwer zu ersetzen ist, ist das Blut. Der Christoph Hödl, mein Innereienlieferant, hat mir welches nach der Schlachtung mit Essig gemischt (damit es nicht gerinnt) und aufgehoben. Der Herr Hödl stellt übrigens auf Bestellung schlachtfrische Bruckfleisch-Pakete zusammen. Wer kein Blut bekommt, nimmt Rotwein und Mehl für die Sauce – oder kocht doch lieber was anderes. Einbrennte Hund mit wildem Kerbel zum Beispiel oder Hirn mit Ei und Morcheln. Das geht beides schneller und ist richtig gut.

Weil beim vergangenen Blog einige Poster wissen wollten, was aus der steirischen Beinahe-Sojasauce wurde: Hier gibt's Neuigkeiten dazu.

Bruckfleisch (frei nach dem Siever'schen Beislkochbuch)

Erhitzen Sie ordentlich Fett, idealerweise Rinderfett, in einem großen Topf und braten Sie darin erst zwei kleingeschnittene Zwiebeln, dann diverses geraspeltes Wurzelwerk (Karotten, Sellerie, Petersilwurzel ...) kurz an, bis es etwas Farbe genommen hat und zusammengefallen ist. Sparen Sie nicht am Gemüse, es verkocht sowieso zu einem Großteil in der Sauce.

Foto: Tobias Müller

Währenddessen schneiden Sie Ihr Herz, das Kronfleisch und die Aorta in mundgerechte Stücke. Die Aorta ist da übrigens recht widerspenstig, leichter geht es, wenn Sie sie vor der Bearbeitung 15 bis 20 Minuten in den Tiefkühler stecken.

Foto: Tobias Müller

Braten Sie das Gemisch ebenfalls kurz mit dem Wurzelwerk mit und löschen Sie alles mit reichlich Essig Ihres Vertrauens ab. Würzen Sie alles mit Salz, Pfeffer und reichlich Majoran und gießen Sie gerade so viel Rindsuppe oder Wasser dazu, dass alles knapp bedeckt ist. Lassen Sie es auf kleiner Flamme etwa zwei Stunden dünsten.

Foto: Tobias Müller

15 Minuten bevor Sie essen wollen, kosten Sie die Aorta. Wenn Sie weich oder zumindest Kalamari-knackig ist, schneiden Sie Leber, Milz (Haut entfernen, wenn geht) und Bries (kurz in kochendem Wasser blanchieren) in hübsche Bissen und mischen es in Ihren Eintopf, der mittlerweile ähnlich aussehen sollte wie ein Beuschel.

Foto: Tobias Müller

Gießen Sie alles mit einem Viertelliter Blut und etwas Suppe auf und lassen Sie es kurz aufkochen.

Foto: Tobias Müller

Wenn es Ihnen zu dick ist, gießen Sie noch etwas Suppe dazu. Lassen Sie es auf kleiner Flamme weitere 15 Minuten ziehen, bevor Sie es mit Erdäpfeln oder Knödeln und etwas Petersil gegen die einheitliche Bräune servieren. (Tobias Müller, 17.4.2016)

Foto: Tobias Müller