Wien – Beim ersten Durchgang der Zentralmatura im vergangenen Mai sind die Schülerinnen und Schüler an den achtjährigen AHS-Langformen eher durchgekommen als jene an vierjährigen Bundesoberstufenrealgymnasien (BORG). Die AHS waren in allen Fächern deutlich besser als die BORGs. Ein Bericht im Ö1-"Morgenjournal" bestätigte damit das, was Bildungsforscher Günter Haider bereits vor rund drei Monaten im STANDARD kritisiert hatte. Er wies auf auffällige Geschlechterunterschiede, große regionale Differenzen und eben die "zum Teil verheerenden Ergebnisse" der BORGs im Vergleich zu den AHS hin.
Laut einer Anfragebeantwortung des Bildungsministeriums an die Grünen gab es in Mathematik an den achtjährigen AHS gut sieben Prozent Fünfer, an den BORGs hingegen fast 17 Prozent. In Englisch stehen drei Prozent Fünfern in den AHS fast viermal so viele an den BORGs gegenüber. In Deutsch haben die Maturantinnen und Maturanten laut Ö1-Bericht ebenfalls "eher positiv abgeschlossen" als an den BORGs.
Dasselbe Muster zeigte sich auch in Französisch, Italienisch und Latein sowie bei den Nebenterminen, bei denen Fünferkandidatinnen und -kandidaten ihr "Nicht genügend" ausbessern konnten.
Walser will BORGs vielleicht verlängern
Grünen-Bildungssprecher Harald Walser fordert nun, dass die BORGs "aufgewertet werden müssen", sagte er im "Morgenjournal". Er bringt denselben Vorschlag, den Günter Haider im STANDARD gemacht hat. Er kann sich nämlich vorstellen, dass die BORGs um ein Jahr bis zur Matura verlängert werden. "Ich glaube, das ist eine Schlussfolgerung, aber ich würde jetzt vor pädagogischen Schnellschüssen warnen." Jetzt brauche man intensive Ursachenforschung.
Haider hatte im STANDARD darauf verwiesen, dass die BORGs früher ja schon einmal fünfjährig gewesen waren. Um den Schülerinnen und Schülern dort "eine faire Chance" für die Zentralmatura zu geben, wäre das wieder überlegenswert: "Dieses zusätzliche Jahr könnten die BORGs gut gebrauchen."
Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Bildungswesens (Bifie), das für die Zentralmatura zuständig ist, solle die Daten genau analysieren, fordert Walser.
Heterogene Klassen
Dass die BORGs schlechter abgeschnitten haben als die AHS-Langformen, überrascht den ehemaligen AHS-Direktor aus Vorarlberg wenig. AHS-Klassen hätten Schülerinnen und Schüler "mit relativ einheitlichem Wissensstand, während in BORGs Schülerinnen und Schüler aus sehr unterschiedlichen Schulen mit sehr unterschiedlicher Vorbildung in die Klassen aufgenommen werden". Das mache die pädagogische Arbeit schwieriger.
Das Ministerium hat in der Anfrage auch das bestätigt, was Haider bereits kritisiert hatte: Es gibt auch nach Schulstandort und Bundesländern große Unterschiede bei den Zentralmaturaergebnissen. Kärnten und Tirol waren demnach die Vorzugsschüler, ganz hinten liegen Wien vor Vorarlberg, das am schlechtesten abgeschnitten hat. Das alles müsse nun näher untersucht werden, sagt Walser.
Ein Teilergebnis, nämlich auffällige und höchst überraschende Geschlechterunterschiede beim ersten schriftlichen Termin, werden bereits in einer Studie untersucht. Insgesamt sind die Mädchen aber öfter durchgekommen als die Buben.
In Runde zwei sind BHS dabei
Runde zwei der neuen teilzentralen Reifeprüfung startet am 9. Mai. Dann sind nicht nur die AHS dabei, sondern erstmals auch alle berufsbildenden höheren Schulen (BHS).
In dreieinhalb Wochen, am 9. Mai, geht die österreichweite Zentralmatura los, an den AHS und diesmal auch an allen BHS. (Lisa Nimmervoll, 20.4.2016)