Das Potenzial auf den Wiener Dächern ist laut Experten enorm.

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Es klingt vielversprechend: Ein baubewilligter Rohdachboden in der Nähe des Reumannplatzes in Wien ist um 340.000 Euro zu haben. Vier Wohnungen sind in dem "netten Eckhaus" geplant. Zahlreiche weitere Dachböden sind derzeit in ganz Wien zu haben.

Experten raten Privatpersonen von einem Kauf aber ab: "Das ist so circa das Ungeeignetste, was man als Immobilieninvestment machen kann", sagt der auf Immobilienrecht spezialisierte Rechtsanwalt Thomas In der Maur.

"Ich rate davon ab, wenn nicht der Vater eine Baufirma hat, die Schwester Anwältin und der Bruder Architekt ist", meint auch Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher der Wiener Wirtschaftskammer: "Ich kenne niemanden, der das gemacht hat und wieder machen würde."

Rechtliche Schwierigkeiten

Denn Fallstricke gibt es viele. Da wäre einmal der rechtliche Aspekt: Zuerst muss herausgefunden werden, wem der Dachboden gehört. "Das klingt banal, kann aber schwierig sein", sagt Ulreich. "Das Dachgeschoß aus einem Haus herauszukaufen ist kompliziert", sagt In der Maur. In der Regel werden zuerst Miteigentumsanteile gekauft, die am Ende in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. "Dazwischen liegen mehrere Schritte", sagt der Rechtsanwalt.

Und all diese Schritte erfordern das Mitwirken sämtlicher Miteigentümer. Ihre Unterschrift ist beispielsweise auf dem Bauplan nötig. Wird die Baubewilligung erteilt und soll später noch einmal etwas geändert werden – etwa ein zusätzliches Fenster eingeplant -, dann sind wieder sämtliche Unterschriften notwendig. "Dann kann es aber sein, dass man im Zuge des Bauvorhabens schon den einen oder anderen verärgert hat", so Ulreich. Wenn ein Miteigentümer nicht kooperiere, dann verzögere sich das Projekt mitunter um Jahre.

Königsdisziplin

Auch die zwischenmenschliche Komponente sei nicht zu verachten: Die Eigentümer in den unteren Stockwerken hätten oft Angst, dass dem Eigentümer ganz oben das Geld ausgeht – und sie am Ende mit einem offenen Dach sitzenbleiben. Wasserschäden seien nicht selten, für die sich dann weder Bauherr noch Baufirma zuständig fühlen.

Ein weiterer Fallstrick ist die Bautechnik: Ein Dachbodenausbau, sind sich Experten einig, ist die "Königsdisziplin". "Das ist Hightech", sagt Ulreich. Dabei kommen beispielsweise Wärmebildkameras zum Einsatz, um thermische Schwachstellen zu finden. Wer an der falschen Stelle spart, riskiere einen bautechnischen Totalschaden.

Potenzial auf den Dächern

Ein Dachbodenausbau sei daher auch für Profis kompliziert – und selbst bei denen würden manche zu blauäugig an die Sache herangehen, sagt Ulreich. Auszahlen dürfte sich all der Aufwand angesichts der Preise, die für die Wohnungen gezahlt werden, aber trotzdem. Und auch wenn der Ausbau von Dachböden oft mit unbezahlbaren Luxuswohnungen in Verbindung gebracht wird: Das Potenzial, das im wachsenden Wien noch auf den Dächern schlummert, ist laut Ulreich "gewaltig". Er schätzt, dass maximal 30 Prozent der Dächer, auf denen eine Aufstockung möglich wäre, bereits ausgebaut wurden.

Ein Grund dafür sei die komplizierte juristische Situation. Ein weiterer Faktor sei die "restriktive Flächenwidmung, die immer noch von Schrumpfung ausgeht". Die meisten Häuser könnten deshalb nur um maximal eineinhalb Stockwerke ausgebaut werden, obwohl sie laut Ulreich oft an breiten Straßen gelegen sind und auch drei Stockwerke vertragen könnten.

Neues Fundament

Im Idealfall haben vom Dachboden alle etwas: Meist geht der Ausbau mit einer Sanierung des Hauses einher. Die begleitenden Maßnahmen würden das Haus zudem erdbebensicherer machen, etwa indem es auf ein neues Fundament aus Stahlbeton gestellt wird.

Überraschungen gibt es dabei laut Ulreich immer: "Wir hatten schon Häuser, die kein Fundament hatten. Die standen seit hundert Jahren – auch wenn das rechnerisch gar nicht möglich war." Ist der Bauherr kein Profi, hat er angesichts solcher Entdeckungen bei den Bauarbeiten schnell ein Problem mit explodierenden Kosten.

Mieter haben schlechte Karten

Davon weiß auch In der Maur zu berichten: "Man kann sich bei so einem Ausbau sehr leicht unterfinanziert finden und mit Haftungen konfrontiert sehen – etwa weil bei den Ausbauarbeiten allgemeine Teile beschädigt werden." Streitigkeiten zwischen den Eigentümern sowie zwischen Bauherren und Bauunternehmen seien daher häufig. Ein Mieter, der etwas gegen die Ausbaupläne am Dach hat, hat übrigens im Normalfall schlechte Karten, wenn er nicht gerade Mietrechte für Teilflächen im heißbegehrten Dachgeschoß besitzt.

Wer sich als Bauherr betätigen will, dem rät In der Maur zu einem weniger riskanten Investment als dem Rohdachboden: "Da ist es wohl gescheiter, man kauft sich ein Stück Baugrund und überlegt sich mit dem etwas." (Franziska Zoidl, 24.4.2016)