Improvisierte Pressekonferenz von Kanzler und Vizekanzler am Dienstag in Wien. Die Regierung will über den Arbeitsmarktzugang für Asylwerber erst Anfang Juni weiterreden.

Foto: Matthias Cremer

Wirklich groß waren die Erwartungen an den Flüchtlingsintegrationsgipfel der Bundesregierung und der Sozialpartner nicht. Zwei Tage nach der Wahlschlappe des SPÖ- und ÖVP-Kandidaten bei der Bundespräsidentschaftswahl sind die Parteigremien mit anderen Dingen beschäftigt.

Und so kam es dann auch: Die Sozialpartner haben der Regierung ein Papier mit einer Vielzahl an Maßnahmenvorschlägen vorgelegt. Diese werden nun auf ihre Kosten hin geprüft, eine Entscheidung dazu gibt es noch nicht. "In sechs Wochen wird die Debatte fortgesetzt", sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem zweistündigen Treffen vor der Presse.

Das Positionspapier, auf das sich Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Industrielle und Wirtschaftskammer verständigt haben, berührt politisch sensible Punkte.

  • Die Sozialpartner erneuerten ihre Forderung, Asylwerber sechs Monate nach ihrer Antragstellung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Aktuell dürfen sie nur in wenigen Berufen, etwa als Erntehelfer in der Landwirtschaft, tätig werden. Wobei es weiter eine Einschränkung geben soll: Asylwerber sollen auch künftig nur dann eine Arbeit aufnehmen dürfen, wenn das Arbeitsmarktservice (AMS) festgestellt hat, dass die Stelle nicht mit einem ähnlich qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden kann.

  • Erleichterungen soll es auch für jugendliche Asylwerber geben. Aktuell haben sie nur die Möglichkeit, eine Lehre in einem Mangelberuf wie Bäcker, Tischler oder Koch zu ergreifen. Die Sozialpartner schlagen vor, Asylwerbern mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit bis zum 25. Lebensjahr sofort Zugang zu allen Lehrberufen zu ermöglichen. Dazu soll es mehr Betreuung geben.

  • Der Dienstleistungsscheck soll auch für Asylwerber geöffnet werden. Den Scheck können Private kaufen (etwa bei der Post) und damit seit 2006 Putzfrauen, Haushalts- und Gartenhelfer entlohnen. Deren Tätigkeit gilt dann nicht mehr als Schwarzarbeit, die Betroffenen genießen Sozialversicherungsschutz.

  • Daneben wird das AMS aufgerufen, ein Programm für Betriebe zu starten, um die Beschäftigung von anerkannten Flüchtlingen zu forcieren. Die Sozialpartner drängen darauf, alle Barrieren für Jugendliche abzubauen, die einem Schulbesuch im Weg stehen.

Ob SPÖ und ÖVP bereit sind, die Maßnahmen umzusetzen, ließ sich bei den Statements von Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nicht heraushören. Während Faymann betonte, dass die Ausgrenzung von Menschen das Risiko für gesellschaftliche Probleme wie Ghettobildung erhöht, schien Mitterlehner etwas auf der Bremse zu stehen. Man müsse aufpassen, durch eine voreilige Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber nicht mehr Probleme zu schaffen, so Mitterlehner. Genauer wurde er allerdings nicht.

Bei vielen der Vorschläge wird es in der Praxis darauf ankommen, ob Unternehmen genügend Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Die Zahl der betrieblichen Lehrplätze sinkt seit Jahren. Als Ausweichmöglichkeit gibt es die überbetriebliche Lehre beim AMS.

Prämien für Betriebe

Nicht Teil des Sozialpartnerpapiers ist eine Forderung, die Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl am Rande des Treffens im STANDARD-Gespräch erhob: "Wenn wir wollen, dass anerkannte Flüchtlinge und Asylwerber in Betrieben als Arbeitnehmer eine Chance haben sollen, braucht die Wirtschaft eine Integrationsprämie." Aus öffentlichen Mitteln kommend, sollte diese Prämie in der Höhe der Mindestsicherung (838 Euro) ausbezahlt werden. Die Kosten für die Aufrundung des Lohns auf Kollektivvertragsniveau würden die Betriebe zahlen.

Nicht infrage kommt dieser Vorschlag für die Gewerkschaft, wie ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz sagte. Bei über 400.000 Arbeitslosen in Österreich sei es nicht zu rechtfertigen, wenn Flüchtlinge bei Anstellungen mit einer Prämie bevorzugt werden, so Achitz zum STANDARD. Arbeiterkammerchef Rudolf Kaske sieht es ähnlich, will sich aber weiteren Gesprächen zu dem Modell nicht verschließen. (Irene Brickner, András Szigetvari, 27.4.2016)