Der Eingangsbereich des ehemaligen Perchtenbräu wurde komplett erneuert.

Foto: Alex Stranig

Die Bänke wurden abgeschliffen und neu gestrichen. Ansonsten ist in der Gastwirtschaft kein Stein auf dem anderen geblieben.

Foto: Alex Stranig

Es ist offenbar modern, seinen Vornamen als Firmentitel zu verwenden. Um aber nicht genau wie das eigene Geschäft zu heißen, macht man dann aus einem Josef zumindest einen Joseph und aus einem Stefan einen Stephan. Letzterer heißt mit Nachnamen Rieger und eröffnete vor zwei Wochen eine Gastwirtschaft in Wien-Margareten.

Im unbelebteren Teil der Schönbrunner Straße verwandelte der erfahrene Gastronom (Schenks und Schlosswerk) das ehemalige Perchtenbräu in ein Upscale-Wirtshaus und verbannte zum Glück nicht nur die furchteinflößenden Masken aus dem Lokal, sondern auch so manches verstaubte Gericht von der Karte.

Wenn sich alle am Tisch einig sind, dass die Atmosphäre zum Verweilen einlädt, ist das ein vermeintlich gutes Zeichen. Wenn aber auf den Nebentischen die Gedecke abserviert und die Kleingeld zählenden Pfennigfuchser, die es – wie auch immer – schaffen, ein Bier über eine Stunde lang zu trinken, freundlich bedient werden, hat man Mitleid mit dem Koch.

Perlen vor die Säue

Küchenchef Norbert Zauchinger (zuvor im Restaurant Oskars) kredenzt hier nicht nur Klassiker der Wiener Küche in guter Qualität, sondern tobt sich auch mit einem Menü in sechs Gängen aus. Wären da nicht noch immer die Tischblockierer mit ihren verdutzten Blicken auf den ersten Gang, der sich Gemüsegarten nennt und eine wunderbare Symbiose aus Rüben, Baiser und Ziegenkäse bildet – man könnte glauben, man sei in einem Fine-Dining-Laden. Voll auf die Rübe scheint hier offenbar das Motto zu sein – es geht weiter mit einer Suppe aus gelben Rüben. Die Flusskrebse sind unfassbar fleischig, der Kardamom wohldosiert. Man ist aber ein bisschen froh, dass der Frühling dieses Jahr so zaghaft startet – bei heißen Temperaturen hätte man sich was weniger Schweres gewünscht.

So kann Wirtshausküche auch aussehen: Gemüsegarten.
Foto: Alex Stranig

Nicht wahnsinnig aufregend und irgendwie an das kölsche Traditionsgericht "Himmel und Äd" erinnernd kommt die panierte Blutwurst auf einer Art Erdäpfel-Espuma mit süßen Birnen daher und holt einen wieder zurück ins urige Wirtshaus. Als Zwischengang wird zur Abwechslung nicht das klassische Sorbet, sondern ein Parfait aus Topfen mit Honig und Yuzu serviert. Nette Idee.

Wer auf vakuumgegartes Fleisch steht, wird mit dem Kalbsrücken "Sous Vide" seine Freude haben. Zumindest, wenn er das etwas trocken geratene Fleisch in das spärlich am Teller verteilte Rote-Rüben-Aioli tunkt. Die gewürfelten Tramezzini hätten eher als Suppeneinlagen getaugt und lenken zu sehr vom Kräuterschwamm, einer Art Biskuit mit frischen Käutern, ab.

Der Kalbsrücken wird vakuumgegart und mit Kräuterschwamm serviert.
Foto: Alex Stranig

So süß

Das Chateaubriand, das für zwei Personen serviert wird, könnte ein bisschen blutiger sein, ist aber nicht weniger als köstlich. Mit den Saucen meint man es etwas gut. So hätte der aromatische Süßholzjus wahrscheinlich, ob der wenig essenden Gäste, für alle im Restaurant Anwesenden gereicht. Das wirkliche Highlight ist aber definitiv das Dessert. Ein Traum aus wunderbar flaumigen Buchteln mit einer Vanillesauce, die harmonischer nicht sein könnte.

Ein Klassiker der böhmischen Küche: Buchteln mit Vanillesauce.
Foto: Alex Stranig

Spätestens jetzt ist das Bier am Nachbartisch ausgetrunken, und der Kellner deckt in optimistischer Vorfreude auf den nächsten Tag Besteck und Weingläser ein. Dabei denkt er sich wahrscheinlich das Gleiche wie alle am Tisch Anwesenden: Hoffentlich werden die essenden Gäste mehr. Zu wünschen ist es Rieger und seinem sehr ambitionierten Team zumindest. Vielleicht hat er bis dahin auch die etwas unübersichtliche und auf den ersten Blick spärlich wirkende Weinkarte erneuert. (Alex Stranig, 3.5.2016)