Mehr als 270 Hunde werden auf dem Hof von Gong In-yeong, etwas außerhalb der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, gehalten.

Foto: Kretschmer

Gong In-yeong ist nicht stolz auf seine Zucht.

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Als Gong In-yeong in den 80er-Jahren mit seiner Hundezucht begann, schien er seiner Zeit weit voraus zu sein: Damals interessierten sich nur wenige Südkoreaner dafür, seine Welpen als Haustier zu halten. Dem heute 54-Jährigen drohte bald der Bankrott. Ein neuer Plan musste her, erinnert sich Gong, Zigarette im Mundwinkel, fleckige Jeans, die Haut von Wind und Sonne gegerbt: "Das hier ist jedoch nichts, worauf man stolz sein kann."

Der Koreaner zeigt auf seinen Innenhof, wo sich unter breiten Plastikplanen Gitterkäfige groß wie Umzugskartons in endlosen Zweierreihen stapeln. Mehr als 270 Hunde hält Gong dort in Einzelgehegen, darunter auch Golden Retriever, Rottweiler, Huskys und Bernhardiner. Die meisten von ihnen sind hier geboren worden, andere hingegen wurden als Haustiere abgegeben. "Zumindest komme ich mit dem Geschäft über die Runden", sagt der Landwirt, der pro verkauftem Hund etwa 180 Euro verdient.

Entbehrliche Nachkriegsjahre

Seit mehr als zweitausend Jahren werden auf der koreanischen Halbinsel Hunde verzehrt. In der ostasiatischen Folklore wird dem Fleisch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, die die männliche Potenz steigern soll. Zudem wappnen sich viele Landsleute im August mit einer kalten Hundefleischsuppe gegen die erdrückende, feuchtschwüle Sommerhitze. Nicht zuletzt erinnern die Vierbeiner die Senioren an die entbehrlichen Jahre nach dem Koreakrieg, in denen Fleisch zum unerschwinglichen Luxus geworden ist. Streunende Straßenhunde waren damals oft die einzig verfügbare Proteinquelle.

"Kulturelle Gründe sollten niemals als Entschuldigung für Unrecht herhalten", sagt Andrew Plumbly von der Tierschutzorganisation Humane Society. Der Kanadier sitzt in einem beigen Mini-Bus, vor dem Fenster ziehen die gläsernen Bürotürme Seouls vorbei, allmählich werden sie von bewaldeten Hügeln abgelöst, die die Provinzen zu zwei Dritteln bedecken. Pumbly und seine Aktivisten befinden sich auf dem Weg zu Gong In-yeongs Hundezucht, es ist die insgesamt fünfte und bisher größte, die sie "befreien" möchten. "Die Hundefleisch-Industrie in Korea befindet sich in einer rechtlichen Grauzone – es gibt praktisch keine Regulierungen oder Kontrollen. Die Züchter brauchen nicht mal eine Lizenz", sagt Pumbly. Fehlende ethische Standards hätten zu besonders brutalen Haltungsbedingungen geführt.

Früher wurden die Tiere oftmals lebendig an Spießen aufgehangen und mit Stöcken zu Tode geprügelt. Der Adrenalinausstoß der Hunde solle das Fleisch zart schmecken lassen, lautet ein verbreiteter Glaube. Mittlerweile ist die vorrangige Tötungsmethode eine effizientere, wenn auch keineswegs schmerzfrei: Die Hunde werden mit Wasser besprenkelt, bevor ihnen ein elektrischer Viehstock in den Rachen gesteckt wird. Bis sie durch die Stromschläge sterben, braucht es meist mehrere Anläufe.

Junge gegen Tradition

Laut NGO-Schätzungen werden in Südkorea bis zu zweieinhalb Millionen Hunde jährlich zum Verzehr geschlachtet. Über 70.000 Zuchtstätten soll es in Südkorea geben, von versteckten Hinterhöfen bis hin zu industrialisierten Betrieben. "Gerade junge Leute halten sich jedoch vermehrt Haustiere", sagt Borami Seo, die das Korea-Büro von Humane Society leite. Nur ein Fünftel aller 20- bis 30-jährigen Koreaner isst Hundefleisch, bei den Senioren sind es mehr als die Hälfte.

Die Tierschützer hoffen, im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang ein mediales Schlaglicht auf das Thema zu werfen. Als sie an diesem Morgen auf Züchter Gong In-youngs Hof einbiegen, machen sie sich umgehend an die Arbeit: Sie laden die Hunde in Plastikboxen und hieven sie auf einen Lastwagen, der sie zum Flughafen bringen wird. In Amerika und Kanada sollen sie Familien finden und in Freiheit leben. "Hier hätten die Hunde schlechte Chancen, denn Koreaner wollen fast nur reinrassige Hunde", sagt Aktivistin Seo.

Mit finanziellen Anreizen und Gesprächen versuchen sie die Hundezüchter zu überreden, auf Gemüseanbau umzusatteln. Die Bauern erhalten für den Übergang Gelder im fünfstelligen Bereich. "Unsere Rettungsaktionen sind teuer, aber wir glauben, dass sie jeden Cent wert sind", sagt Tierschützer Plumbly: "Nicht zuletzt, weil die Hunde zu Botschaftern werden: Jeder von ihnen trägt seine Geschichte in die Welt hinaus." (Fabian Kretschmer aus Wonju, 29.4.2016)