Toscana / Porto Ercole – Corradino D'Ascanio hat da gar kein großes Geheimnis daraus gemacht. Er hasste Motorräder. Er war Erfinder und Luftfahrtingenieur. Er sehnte sich nach etwas Leichtem. Motorräder aber fand er schwerfällig. Zudem waren sie nicht luxuriös, sondern regelrecht unbequem. Und dann störte ihn, dass man eine halbe Ewigkeit brauchte, um einen platten Reifen zu tauschen.

Die MP6 ist der erste Protoyp einer Vespa, die vor 70 Jahren begann, von Italien aus die Welt zu erobern.
Foto: Piaggio

Aber was sollte er schon machen? Nach dem Krieg waren die Werke der Familie Piaggio stark zerstört. Da schien die Idee von Enrico Piaggio wie ein Rettungsring. An den weiteren Bau von Flugzeugen war einfach nicht mehr zu denken.

Also setzte sich Corradino D'Ascanio hin und merzte die Schwachstellen aus, die in Enrico Piaggios erster Idee eines Rollers noch vorhanden waren.

Die Vespa 125 von 1948.
Foto: Piaggio

Corradino nahm die ewig dreckige Kette und ersetzte sie durch ein Direktantrieb. Dem Gfrett mit dem Reifenwechsel ging es auch an den Kragen. Er nutzte seine Erfahrung mit Tragarmen aus dem Flugzeugbau und baute sowohl am Vorder- als auch am Hinterrad eine Aufhängung, die ein rasches Wechseln ermöglichte.

Wetterschutz

Um besser geschützt zu sein, baute er eine Karosserie, die sogar Regen abhielt. Der ungewöhnliche Zugang zum Thema machte den Erfolg. Heute ist die Vespa eines der erfolgreichsten Motorräder aller Zeiten.

Im April 1946 meldete Enrico Piaggio das Patent zu seinem Roller an, von dem er sagte: "Sembra una Vespa" – Kommt mir vor wie eine Wespe. Damit war auch der Name geboren, der dann letztendlich doch knackiger war als der Spitzname "Papperino" – so heißt Donald Duck im Italienischen –, den man für Enrico Piaggios ersten Entwurf fand.

Die Super Sprint 90 von 1966 mit der eigenwilligen Tank- und Reserverad-Konstruktion.
Foto: Piaggio

Auch wenn der Anfang schwer war – gleich nach dem Krieg von Moto Guzzi, die man um den Vertrieb bat, abgewiesen –, wurde die Geschichte der Vespa schnell eine Geschichte des Erfolgs, die untrennbar mit Stars, Italien und sogar Hollywood verbunden ist.

Mehr als 16 Millionen Roller liefen bis heute bei Piaggio vom Band. Und den einstigen Zweifler Moto Guzzi hat Piaggio inzwischen auch geschnupft.

Piaggio Medley

Der neueste Wurf von Piaggio, die Medley, ein 125er-Roller, bedient sich des reichen Erbes, ist aber schon fast das Gegenteil der ersten Vespas. Und damit ist gar nicht allein die moderne Optik der Medley gemeint.

Der Medley ist der neueste Wurf von Piaggio. Großer Räder sorgen für einfaches Handling.
Foto: Piaggio

Das Handling, das Fahrwerk, der Motor, die Bremsen. Mit einer alten Vespa verzögerte man besser, wenn man mit den Füßen am Boden scherte, als wenn man am Bremshebel zog.

Die Medley hat ein 2-Kanal-ABS von Bosch. Die Medley hat große Räder, die jetzt vielleicht nicht so fesch sind, dafür sorgen sie für mehr Stabilität als die grazilen Scheibtruchnradln der Vespas.

Nur sehr groß gewachsene Menschen würden sich eine etwas andere Kontur der Sitzbank wünschen, die dafür kleineren Personen gut gefallen wird.
Foto: Piaggio

Mit dem sieben Liter großen Tank kommt der Roller mehr als 300 Kilometer weit, so genügsam ist der wassergekühlte, 125 Kubikzentimeter große Einzylinder, der als erster Piaggio-Motor die Abgasnorm Euro 4 erfüllt. Der Tank wanderte ins Trittbrett, damit ist unter der Sitzbank praktischerweise Platz für zwei Vollvisierhelme, was einem das Topcase erspart.

Auch bei der Preisgestaltung hält sich Piaggio am Gedanken vom Enrico an, der unbedingt ein günstiges Verkehrsmittel schaffen wollte. Ab 2.990 Euro bekommt man die Piaggio Medley.

Zwei der wichtigsten Kampfansagen der Medley sind der große Stauraum und der niedrige Preis.
Foto: Piaggio

Trotzdem, das muss man schon zugeben, so herrlich sich die Medley fährt – mehr Ganslhaut macht immer noch eine alte Vespa. (Guido Gluschitsch, 29.4.2016)