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Mit dem Spiel "Angry Birds" gelang Produzent Rovio ein Coup, doch Nachfolgeprojekte blieben hinter den Erwartungen.

Foto: AP / dapd / Rovio

Das einstmals von Forstindustrie und Agrarwirtschaft geprägte Finnland hat der Computer- und Elektronikbranche im Großen und Ganzen den Aufstieg zur Businessnation modernen Zuschnitts zu verdanken.

Nach der schlimmen Wirtschaftskrise, die Finnland Anfang der 1990er-Jahre im Zuge der Untergangswehen der Sowjetunion in eine tiefe Depression gestürzt hatte, war es der Unternehmenstausendsassa Nokia, der nach einer kurvenreichen Historie vom Papierhersteller über Gummistiefel, Reifen, Fernseher und Kabel als Handy-Weltmarktführer dem Land zu ungeahntem Wohlstand und Renommee verhalf.

Der schöne Traum ist geplatzt

Tausende IT-Fachleute aus aller Welt, insbesondere aus Indien wurden mit verlockenden Gehältern ins Land geholt, der eigene Nachwuchs über offizielle und inoffizielle Kanäle gefördert. Nokia und eine Reihe von Zulieferern und Spin-offs dominierten das Finanzgeschehen und die Volkswirtschaft Finnlands; und das in einem Ausmaß, das jenes der ehemals so starken Papier- und Holzindustrie bei weitem übertraf.

Das ging so weit, dass der damalige Nokia-Chef Jorma Ollila den Spitznamen "König von Finnland" verpasst bekam. In den Boomjahren machte nach Schätzungen allein der damalige Handy-Weltmarktführer mehr als 70 Prozent des gesamten Börsenwertes in Helsinki aus.

Der schöne Traum platzte allerdings im Jahr 2013, als Nokia einen Jahresverlust von rund 2,3 Milliarden Euro hinnehmen musste. Es folgten der Verkauf der Handysparte an "Partner" Microsoft und die Entlassung tausender Arbeitskräfte.

In Helsinki hatte man sich schon unmittelbar nach der Finanzkrise von 2008 den Kopf darüber zerbrochen, wie die finnische Erfolgsstory nach dem Sinken des Wirtschaftsflaggschiffs Nokia weitergeführt werden könnte. Dabei ging es auch um den Verbleib von Fachkräfte und Branchen-Know-how in Finnland.

Politiker, Förderstellen und Arbeitsgruppen wie der legendäre "Weisenrat" zur Neudefinition einer nationalen Image-Strategie ("Suomi-branding", 2008 bis 2010, dem Gremium gehörten Leute wie Ollila, Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari oder der spätere Ministerpräsident Alexander Stubb an) spekulierten anfangs noch, Unternehmen wie Jolla (Handy) könnten als Ersatzlokomotiven für die Erfolgswirtschaft aufgebaut werden.

Die Angry Birds mussten Federn lassen

Jetzt setzt man in Helsinki vermehrt auf Diversifizierung. Vor rund zwei Jahren genoss die finnische Computerspielindustrie besondere Aufmerksamkeit. Doch die Resultate blieben hinter den hochgesteckten Erwartungen. "Angry Birds"-Produzent Rovio geriet wegen Problemen mit Nachfolgeprojekten ins Schleudern und musste ein Drittel seiner Belegschaft entlassen.

Ein weiterer gehypter Star unter den Entwicklern, Supercell, wurde an japanische Investoren verkauft. Zahlreiche hoffnungsfrohe Game-Entwickler kamen erst gar nicht über das Brutkastenstadium hinaus.

Start-up-Berater Valto Loikkanen sieht die Gaming-Branche als auf einem gewissen Niveau etabliertes Element der heutigen finnischen Wirtschaftsstruktur: "Der Hype hat sich gelegt, die Aufwärtskurve ist flach geworden. 2015 erwirtschaftete die Sparte 1,8 Milliarden Euro Umsatz. Das ist naturgemäß ein winziger Bruchteil der finnischen Wirtschaftsleistung.

Gesundheit und Altenpflege

"Heutzutage steckt überall IT-Technologie drinnen", sagt Loikkanen und argumentiert, dass eine IT-Branche gar nicht mehr existiert. Für arbeitslos gewordene Computerspezialisten sieht er in Finnland derzeit die allerbesten Chancen im Bereich Gesundheit und Altenpflege.

Als Beispiel nennt er die geplante Umgestaltung des vor einigen Jahren stillgelegten Maria-Krankenhauses in Helsinki zu einem der größten Healthcare-Start-up-Zentren in Europa. Die Umwelttechnik sei ein weiterer Bereich. Hier gibt es jetzt schon einen funktionierenden Cluster in der Region Vaasa an der mittleren Westküste des Landes. Auch in und um Helsinki gibt es viele Umwelttechnik-Unternehmen.

Genaue Zahlen seien schwierig zu ermitteln, aber Loikkanen schätzt, dass es der Regierung bisher weitgehend gelungen ist, den größeren Teil der importierten Fachkräfte durch gezielte Initiativen an der Stange zu halten.

Das ehemalige Nokia-Imperium zerfällt indes weiter. Nach der angekündigten Entlassung weiterer 1300 Mitarbeiter sah sich die Regierung Anfang April genötigt, die EU um Unterstützung zu bitten.

Nokias anhaltende Krise ist sicherlich einer der Gründe, warum die Erholung der Wirtschaft im Europa-Vergleich in Finnland wie schon zuletzt hinterherhinkt. Für 2016 erwarten die Wirtschaftsauguren erstmals seit Jahren wieder ein bescheidenes Wachstum von einem halben Prozent. (Andreas Stangl, 13.5.2016)