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Wird das Leben am Wochenende ohne Internet zur Einöde? Wir haben es ausprobiert.

Das Experiment beginnt Freitagabend, am Wochenende der Bundespräsidentenwahl. Einmal noch schnell ein Blick auf Twitter und Facebook, dann wird der Datenzugang am Smartphone komplett abgedreht. Um auch beim Blick auf die Uhrzeit nicht in Versuchung geführt zu werden.

Keine Fotos posten

Die erste Herausforderung kommt bei einem Konzert. Wanda spielen in der Stadthalle. Die Fotos nicht sofort mit der Welt bzw. Freunden und Followern teilen zu können, das ärgert schon ein bisschen. Der Sänger ist gerade mehr oder weniger in Armeslänge vorbei stagegedived. Wäre ein guter Schnappschuss für Facebook geworden. Dabei ist die Kommunikation mit Bildern in sozialen Medien so wichtig oder jedenfalls populär. Besonders unter Jugendlichen. Bei einer Umfrage der Initiative Safer Internet gaben 88 Prozent der Teenager an, zumindest jede Woche ein Bild zu teilen. Meine dafür bevorzugte Plattform Facebook ist den Kids aber immer egaler. Whatsapp ist hierzulande der Favorit vor Facebook, Instagram und Snapchat holen auf. Der neueste Schmäh sind Livevideos. Dass ich das Konzert nicht live streamen kann, stört aber nicht. Lieber auf das Bier in der Hand aufpassen, während die Masse den Wanda-Frontman wieder zur Bühne zurückhievt.

Um den Informationsdurst zu stillen, besorge ich mir die "Süddeutsche Zeitung" (SZ). Mit der üppigen Wochenendausgabe kann man sich ein paar Stunden beschäftigen. Nur wer um alles in der Welt hat sich dieses unhandliche Format einfallen lassen? Dazu würde ich in dem Moment, als ich die riesige Zeitung vor mir auf der Couch ausbreite, gerne mehr wissen. Auf Wikipedia nachschlagen geht natürlich nicht, also lese und falte ich weiter. 400 x 570 Millimeter misst der Zeitungsriese, das nennt sich Nordisches Format. Die SZ verwendet es seit Juni 1988. Warum aber genau dieses, damit lässt mich Wikipedia auch später im Stich. Der STANDARD druckt übrigens im etwas kleineren Berliner Format (300 x 450 Millimeter), seit 2013 gibt es ihn auch als Kompakt- Version. Unabhängig davon: Laut 2015 durchgeführter Studie des Vereins Media Server lesen 65 Prozent der Österreicher regelmäßig ein Printprodukt, aber 71 Prozent nutzen täglich das Internet.

Besonders eingeschränkt ist am Offline-Wochenende das Unterhaltungsangebot. Da ich nur terrestrisches Fernsehen habe, kann ich aus etwas mehr als zehn Sendern wählen. Better Call Saul über Netflix oder Outlander über Amazon Prime wären mir lieber. Im Fernsehen läuft die Matrix-Trilogie – kann man sich immer wieder an-sehen. Während der Werbepausen wächst die Versuchung, einen Blick auf Twitter zu werfen. "Wir kontrollieren die Maschinen. Sie kontrollieren nicht uns", sagt Matrix-Held Neo. Während ich nervös zum Smartphone blicke, bin ich mir da nicht ganz sicher.

Teletext als Internet-Ersatz

Noch schwieriger wird der Internetentzug am Sonntag zur Bundespräsidentenwahl. Gerade bei Livesendungen oder auch fixen Sendeplätzen wie "Tatort" hat sich das kollektive Kommentieren (und Lamentieren) auf Twitter zur lieben Gewohnheit entwickelt. Fernsehen als sozialer Kitt.

Was der Sozialpsychologie Erich Fromm schon vor Jahrzehnten postulierte, hat auch heute noch seine Gültigkeit. Nun eben über den Second Screen. Eine 2015 von TNS Infratest durchgeführte Studie ergab, dass 33 Prozent der Befragten regelmäßig neben dem Fernsehen auch auf Inhalte aus dem Netz zugreifen. Immerhin: Zusätzliche Informationen zur Wahlberichterstattung kann ich über den ORF-Teletext abrufen. Dort lassen sich auch jederzeit Wetterprognose und Fernsehprogramm nachlesen – für beides verwende ich normalerweise auch Apps. Der Teletext mag anachronistisch wirken, aber er hält sich bereits seit 36 Jahren und kommt auf wöchentlich 1,7 Millionen Leser. Inzwischen gibt es ihn aber auch als App.

Fazit des Offline-Wochenendes: Die Zeit vergeht subjektiv wesentlich langsamer, wenn man nicht ständig aufs Smartphone sieht und nach neuen Postings in sozialen Medien stöbert. Ich bin weniger abgelenkt, während ich mich langen Zeitungstexten oder Bundespräsidentschaftsberichten widme. Eine kurze Auszeit von Facebook und Co tut überraschend gut. Nur die fehlende Möglichkeit, zusätzliche Informationen zum Gehörten oder Gelesenen nachsehen zu können, schränkt dann doch zu sehr ein. (Birgit Riegler, 7.5.2016)