Leere Teller, weil es nicht genug zu essen gibt: Hunger ist ein Zustand, für den der menschliche Organismus epigentisch gut gerüstet ist.

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Übergewicht ist ein wachsendes Problem der westlichen Welt. Seit weniger als 100 Jahren ist Hunger in den Industrienationen praktisch verschwunden und damit ein Zustand, für den der menschliche Körper allerdings gerüstet zu sein scheint.

Wissenschafter am Helmholtz Zentrum München haben neue Erkenntnisse gewonnen, was molekular passiert, wenn wir hungern. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) konnten sie zeigen, dass bei Nahrungsentzug ein bestimmtes Protein hergestellt wird, das den Stoffwechsel in der Leber anpasst.

Die interessante Frage ist, wie sich die reduzierte Aufnahme von Kalorien, etwa im Rahmen einer Intervallfastenkur, auswirkt? "Wenn wir verstehen, wie das Fasten unseren Stoffwechsel beeinflusst, könnten wir versuchen, diesen Effekt therapeutisch herbeizuführen", sagt Stephan Herzig, Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) am Helmholtz Zentrum München. Zusammen mit Adam J. Rose, Leiter der Forschungsgruppe ’Protein metabolism in health and disease’ am DKFZ in Heidelberg,

Stressmolekül in Schlüsselposition

In der aktuellen Studie suchten die Wissenschaftler nach fastenbedingten Unterschieden in der Genaktivität von Leberzellen. Mithilfe so genannter transcript arrays konnten sie zeigen, dass speziell das Gen für das Protein GADD45β je nach Ernährung unterschiedlich oft abgelesen wurde. Je mehr Hunger, desto öfter produzierten die Zellen das Molekül, dessen Bezeichnung eine Abkürzung für das englische ‘Growth Arrest and DNA Damage-inducible’ ist.

Bisher war das Molekül im Zusammenhang mit der Reparatur von Schäden am Erbgut und dem Zellzyklus bekannt und nicht aus der Stoffwechselbiologie. Anschließende Modellversuche ergaben, dass GADD45β dafür zuständig ist, die Fettsäureaufnahme in der Leber zu steuern. Mäuse, denen das Gen fehlte, entwickelten leichter eine Fettleber. Stellte man das Protein aber wieder her, so normalisierte sich der Fettgehalt der Leber. Zudem verbesserte sich der Zuckerstoffwechsel.

Auch beim Menschen konnten die Wissenschaftler das Ergebnis bestätigen: Niedrige GADD45β-Spiegel gingen mit einer erhöhten Fettanreicherung in der Leber und einem erhöhten Blutzuckerspiegel einher.

"Der durch das Fasten verursachte Stress auf die Zellen der Leber scheint also die Produktion von GADD45β anzukurbeln, was dann den Stoffwechsel an die geringe Nahrungsaufnahme anpasst", fasst Herzig zusammen. Die neuen Ergebnisse wollen die Forscher nun nutzen, um therapeutisch in den Fett- und Zuckerstoffwechsel einzugreifen und die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachzuahmen. (red, 9.5.2016)

Originalstudie:

Fasting-induced liver GADD45β restrains hepatic fatty acid uptake and improves metabolic health