Mehmet Kaplan (li.) trat im April als Wohnungsbauminister zurück. Die grünen Skandale setzen auch Premier Stefan Löfven (re.) unter Druck.

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Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven führt seit 2014 ein rot-grünes Kabinett, das sich als "weltweit erste feministische Regierung" beschreibt. Zumal den Grünen gilt Gleichberechtigung als vorrangiges Ziel. Gleichwohl sah sich Löfven mit Blick auf den Koalitionspartner kürzlich zu einer grundsätzlichen Erklärung genötigt: "In Schweden geben wir zur Begrüßung Frauen und Männern die Hand."

Vor dem am Freitag beginnenden Grünen-Kongress steht weitaus mehr zur Debatte als der Skandal, den der (inzwischen ehemalige) Parteivorstandsanwärter Yasri Khan im April auslöste, als er einer Journalistin unter Verweis auf seinen muslimischen Glauben den Handschlag verweigerte. Schon werden Sorgen laut, dass die Grünen auf dem Altar des Multikulturalismus grundlegende Werte wie den Feminismus geopfert und eine Unterwanderung durch Fundamentalisten zugelassen haben. Es geht um den künftigen Kurs einer zunehmend orientierungslos wirkenden Partei und letztlich um den Fortbestand der Koalition.

Mehrere Rücktritte

Am Montag quittierte der weibliche Part des grünen Führungsduos, Åsa Romson, den Dienst in der Parteispitze und als Umweltministerin. Romson und ihr Tandempartner, Bildungsminister Gustav Fridolin, waren infolge von Kungeleien schwergewichtiger Parteifreunde mit Islamisten zunehmend unter Druck geraten.

Auch ist seit Mitte April das Amt des Ministers für Wohnungsbau vakant – der bisherige Minister Mehmet Kaplan stolperte über Beziehungen zu Islamisten in seiner türkischen Heimat und einen Vortrag, in dem er Israels Umgang mit Palästinensern mit der Judenverfolgung durch die Nazis verglich.

Mit der nur zögerlichen Distanzierung vom Geschehenen hatte die grüne Doppelspitze heftige Kritik der Parteibasis auf sich gezogen. Am Montag empfahl nun der Wahlausschuss des Kongresses, die derzeitige Ministerin für Entwicklungshilfe, Isabella Lövin, als neue Co-Vorsitzende anstelle der seit langem kritisierten Romson einzusetzen. Gustav Fridolin soll hingegen im Amt bleiben.

Harter Flüchtlingskurs

Dass der Kongress Fridolins Verbleib zustimmt, gilt bislang nicht als sicher. Gerade er hatte viele Mitglieder mit der Aussage empört, ihm sei bisher nicht bewusst gewesen, dass eine Verweigerung des Handschlags "Frauen kränken könnte". Starke Kräfte innerhalb der Grünen wollen sich zudem nicht mit dem neuen, harten Kurs in der schwedischen Flüchtlingspolitik abfinden, dem die Parteiführung im vergangenen Herbst schweren Herzens und unter Verweis auf die Koalitionsdisziplin zugestimmt hatte. Sollten sich die Befürworter einer liberalen Flüchtlingspolitik durchsetzen, dürfte sich die Koalitionsfrage neu stellen – auch wenn das potenzielle neue Führungsduo am Montag ausdrücklich für den Fortbestand der Regierung warb.

Ministerpräsident Löfven hat eine Neuverteilung der Ministersessel "in den kommenden Wochen" angekündigt. Die seit Jahren schwindenden Wählersympathien für die Grünen erreichen unterdessen neue Tiefstände. Die jüngste Sifo-Umfrage erbrachte mit 4,3 Prozent das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren – die schwedische Boulevardzeitung Aftonbladet sieht "eine Partei in Trümmern". Die ebenfalls boulevardesk ausgerichtete Tageszeitung Expressen empfiehlt den Grünen vor allem, in Sachen Islamismus-Vorwürfen schnell und konsequent zu handeln und bei der Besetzung von Ämtern nicht mehr kritiklos auf die "Vielfaltsquote" zu schielen. Und sie wirft Schwedens Parteienlandschaft insgesamt vor, zu stark "Identitätspolitik" zu betreiben – die Herkunft eines Politikers sei oft wichtiger als dessen Tun. (Anne Rentzsch aus Stockholm, 12.5.2016)