Die Entwurfspläne für das Wohngebäude in Feldkirch stammen vom Feldkircher Architekturbüro Walser+Werle.

Visualisierung: Walser+Werle Architekten ZT

Seit zwei Wochen wird in der Vorarlberger Bezirkshauptstadt Feldkirch an einem Wohnobjekt gebaut, wie es sie zu Dutzenden in Österreich schon gibt. "Was technisch hier gemacht wird, ist überhaupt nichts Neues", sagt denn auch Martin Ploß vom Energieinstitut Vorarlberg.

Das Neue an dem Gebäude im Stadtteil Tosters mit 18 Wohneinheiten samt Tiefgarage ist: Seine gesamten Errichtungs- und Lebenszykluskosten wurden in nicht weniger als 60.000 verschiedenen Varianten durchgerechnet. Man wollte in dem von COMET geförderten Forschungsprojekt nämlich ein für alle Mal klären, welche Bauweise die sowohl wirtschaftlich als auch energetisch optimale ist.

Verschiedene Kombinationen

Die 60.000 Varianten ergeben sich durch die verschiedenen möglichen Kombinationen von Gebäudehülle (vom Niedrigenergiehaus streng nach Vorarlberger Bautechnikverordnung, also dem Mindeststandard laut Bauordnung, bis hin zum Passivhaus), Art der Konstruktion (vom Holz- bis zum Ziegelbau mit Wärmedämmverbundsystem), Fensterqualitäten, Energieversorgungssystemen (Gas-Brennwerttherme, Wärmepumpe, Pellets, Fernwärme) sowie verschiedenen Ausführungen an Solarthermie- und Photovoltaikanlagen.

Für jede Variante erstellte man eine Energiebedarfsberechnung (für 22 Grad Raumtemperatur) und errechnete anhand dieser die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Gebäudes über 50 Jahre – "das ist der übliche Finanzierungszeitraum im geförderten Wohnbau", erläutert Ploß. Der studierte Architekt ist beim Energieinstitut Bereichsleiter für energieeffizientes und ökologisches Bauen und wird später auch das Monitoring des Gebäudes leiten.

Dass man im Lauf der 50 Jahre einige Bauteile wird erneuern müssen, wurde berücksichtigt. So wurden für das Leitungsnetz der Lüftungsanlage etwa die vollen 50 Jahre angenommen, für Regelung und Ventilatoren nur 15 Jahre.

Neben dem Energieinstitut ist noch das Land Vorarlberg, die Arbeiterkammer sowie das Forschungszentrum alpS mit im Boot. Und natürlich der Bauherr, die gemeinnützige Bauvereinigung Vogewosi.

Keine Wärmerückgewinnung

Diese baut nun seit zwei Wochen in Feldkirch-Tosters ein Passivhaus aus Ziegeln mit Wärmedämmverbundsystem, dreifach verglasten Holzfenstern, Wärmepumpe und einer 90 m² großen Solarthermieanlage (Vakuumröhrenkollektor) auf dem Dach. Nicht gebaut wird eine Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, sondern nur eine Abluftanlage. Alexander Pixner, Leiter der Vogewosi-Bauabteilung, spricht hier von einer "Vereinfachung", die man nun "nach fast zehn Jahren, in denen wir fast ausschließlich Passivhäuser mit Komfortlüftung gebaut haben", einmal "ausprobieren" wolle. Es handelt sich dabei um ein "sehr abgespecktes" Lüftungssystem, bei dem die Frischluftzufuhr in den Schlafräumen sowie dem Wohn-Ess-Bereich mittels Mauerdurchführungen geschieht. "Dadurch fällt das komplette Leitungssystem weg", so Pixner. Und auch die Wärmerückgewinnung; die verbrauchte Luft wird einfach übers Dach abgeführt. Das wirkt sich auch auf den Heizwärmebedarf und den Primärenergiebedarf aus, die dann bei 33 bzw. 70 kWh/m²/Jahr liegen werden.

Gebäudehülle als Passivhaus

Die Gebäudehülle aber, so Pixner, werde jedenfalls ein lupenreines Passivhaus sein. Dass dieses die sinnvollste Variante sei, hätten die Berechnungen eindeutig gezeigt, sagt auch Ploß. "Wir haben die 60.000 Varianten nach Lebenszykluskosten gereiht. Das wirtschaftlichste Prozent – also 600 – haben wir uns dann genauer angesehen", und von diesen hätten 100 Prozent aus einer Passivhaushülle bestanden, kein einziges war nur als Niedrigenergiehaus nach der Bauordnung ausgeführt. "Das Passivhaus scheint also auf jeden Fall wirtschaftlich zu sein."

Auch bei der Wärmeerzeugung gab es mit 97 Prozent eine klare Entscheidung für eine Wärmepumpe. Bei der Lüftung lagen die Varianten "nur Abluft" bzw. "Wärmerückgewinnung" aber bei etwa 50:50. Laut Pixner sei die Abluftvariante letztlich "die wirtschaftlichste" gewesen. Ploß verhehlt nicht, dass er sich eine Variante mit Wärmerückgewinnung gewünscht hätte, "denn wenn man sich die Lebenszykluskosten anschaut, ist da nur ein ganz geringer Unterschied". Die Vogewosi habe sich aber für diese Variante entschieden.

Ploß weist darauf hin, dass von den Varianten mit Abluft 94 Prozent innerhalb der Kostengrenze der Wohnbauförderung lagen, von allen Varianten mit Wärmerückgewinnung sogar 99 Prozent – denn da dürfen die Baukosten etwas höher sein.

Berechnungen nach PHPP

Berechnet wurden die Energiekennwerte mit dem Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP), "weil das genauer rechnet und man damit 60.000 Varianten auf einmal rechnen kann", erklärt Ploß. Und weil man da auch die Raumwärme berücksichtigen kann. "Für die Bestimmung der jeweiligen Förderhöhe wurden die Berechnungen nach OIB gemacht."

Der Standort sei repräsentativ für große Teile Vorarlbergs, mit üblicher Verschattung, sagt Ploß. Gebaut werden 18 Wohneinheiten und 18 Stellplätze in der Tiefgarage. Ein großer Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß wurde so konzipiert, dass er später auch in eine 19. Wohneinheit umgewandelt werden kann. Die Fertigstellung ist für Herbst 2017 geplant. (Martin Putschögl, 14.5.2016)