Am öftesten kommen Eltern in der Volksschule als unfreiwillige Nachhilfelehrer zum Einsatz.

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Wien – 68 Prozent der Schüler in Österreich lernen am Nachmittag mit ihren Eltern, bei 26 Prozent ist dies sogar täglich der Fall. Fast ein Viertel der Schüler (23 Prozent) braucht außerdem private Nachhilfe. Das zeigt eine aktuelle Ifes-Umfrage unter 3.100 Eltern im Auftrag der Arbeiterkammer (AK). Insgesamt werden Eltern heuer demnach für Nachhilfe bis zu 110 Millionen Euro ausgeben.

680.000 Schüler bauen auch heuer wieder auf die Unterstützung der Eltern bei Hausübungen oder Prüfungsvorbereitung. Am öftesten kommen diese in der Volksschule als unfreiwillige Nachhilfelehrer zum Einsatz (88 Prozent generell; 51 Prozent "so gut wie täglich"), gefolgt von der AHS-Unterstufe (83 bzw. 20 Prozent) und der Neuen Mittelschule (81 bzw. 23 Prozent). Gerade Kinder mit Migrationshintergrund würden dabei überdurchschnittlich viel daheim gefördert.

Bis zu 57 Euro pro Stunde

Unterstützung von außerhalb der Familie brauchen der Studie zufolge wie im Vorjahr heuer 230.000 Kinder, den höchsten Anteil gibt es unter Schülern an AHS-Oberstufen (34 Prozent) und berufsbildenden höheren Schulen (29 Prozent). Am häufigsten benötigt wird Nachhilfe zur Verbesserung der Noten oder zum Verhindern einer Nachprüfung dabei in Mathe (65 Prozent), gefolgt von Fremdsprachen und Deutsch. Die Familien geben dafür im Schnitt 790 Euro pro Jahr aus, der Stundenpreis an Nachhilfeinstituten gehe bis zu 57 Euro. 40.000 Schüler würden zwar externe Nachhilfe brauchen, können sich diese allerdings aufgrund der finanziellen Situation der Eltern nicht leisten bzw. finden kein entsprechendes Angebot.

Positiv hervorgehoben wird in der Studie das Wiener Angebot der Gratis-Nachhilfe: Der Bedarf nach Nachhilfe sei zwar im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken, allerdings habe sich der Wunsch nach bezahlter Nachhilfe für Volksschulkinder in der Hauptstadt halbiert.

Expertin: Schule an Familien ausgelagert

"Entweder für Nachhilfe zahlen oder den Schulerfolg der Kinder riskieren – das kann nicht die Alternative sein", betonte AK-Präsident Rudolf Kaske bei der Präsentation der Studie. "Lernen und Üben soll am Lernort Schule stattfinden."

Für Gabriele Schmid, Bildungsexpertin der AK Wien, zeigen die Ergebnisse, dass durch das in Österreich dominierende System der Halbtagsschule ein Teil der Schule in die Familien ausgelagert werde. Folge sei nicht nur zusätzliche Belastung für die Eltern; deren Tätigkeit als Aushilfslehrer bringe auch Stress, Konflikte und Ärger in die Familie.

Für Ganztagsschulen

Lösungsvorschläge der AK: Eine Umstellung des Schulsystems auf Ganztagsschulen mit einem Wechsel aus Unterricht, Freizeit und Lernen sowie regelmäßiger Förderunterricht ab Beginn des Schuljahres. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sieht Schmid durch die Studie belegt. Bekommen Ganztagsschüler regelmäßigen Förderunterricht, brauchen nur vier Prozent aus dieser Gruppe bezahlte Nachhilfe. An Ganztagsschulen ohne ein solches Förderangebot sind es 14 Prozent. Geht es nach der AK, soll es außerdem mehr Gratis-Lernangebote wie jenes in Wien geben. Lob gab es für die von der AK wiederholt geforderte Einführung einer sozial indizierten Schulfinanzierung durch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), bei der Schulen mit vielen Kindern aus bildungsfernen Familien mit Migrationshintergrund mehr Unterstützung bekommen.

Dass so viele Kinder in Österreich außerhalb der Schule Lernhilfe benötigen, will Schmid übrigens nicht auf eine "Bildungspanik" der Mittelschicht zurückführen, wie diese in Deutschland konstatiert wird. An den Übergängen von Volksschule zu AHS bzw. Neuer Mittelschule und danach zur AHS-Oberstufe bzw. den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen sei allerdings "der Druck auf die LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern enorm". (APA, 13.5.2016)