Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Start-up-Inkubator in Paris, das als eines der wichtigsten Start-up-Zentren in Europa gilt. Wien hat hingegen laut aktueller Studie den Anschluss verloren.

Foto: REUTERS/Charles Platiau/Files

Wenn man an Start-ups denkt, fällt einem als Erstes das kalifornische Silicon Valley ein. Bereits seit den 1960er-Jahren ist es ein Schmelztiegel für Talente aus Forschung und Technik. IT-Schwergewichte wie Apple, Google, Facebook oder Ebay wurden dort gegründet, und es gilt heute als wichtigster Dreh- und Angelpunkt für Start-ups. Blickt man nach Europa, konzentriert sich die Start-up-Szene in Städten wie London, Paris und Berlin. Wien ist international hingegen nicht relevant, wie Studien zeigen. In der Branche will man das ändern und stellt Forderungen an Politik und Wirtschaft.

"Wien hat Anschluss verloren"

"Beim Global Start-up Ecosystem Ranking 2015 wurde Wien nicht einmal erwähnt", so Andreas Tschas von Pioneers, dem Veranstalter des Start-up-Konferenz Pioneers Festival. Gemeinsam mit der Unternehmensberatungsfirma Roland Berger hat Pioneers in einer Studie die Situation heimischer Start-ups erhoben. Die österreichische Hauptstadt habe zwar grundsätzlich gute Voraussetzungen, aber die Start-up-Szene wachse zu langsam. "Wien hat den Anschluss an die Spitze der europäischen Start-up-Hubs verloren. Das ist besorgniserregend, da Start-ups Innovationen für die österreichische Wirtschaft generieren. Die Wettbewerbsfähigkeit ist gefährdet", sagte Vladimir Preveden, Managing Partner von Roland Berger am Mittwoch bei der Studienpräsentation.

Probleme bestünden vor allem bei der Finanzierung der Expansionsphase. Die Kapitalisierung in der Frühphase funktioniere in Österreich hingegen durchaus gut. Das bestätigte auch schon Investor Michael Altrichter in einem Interview mit dem WebStandard. Am Anfang einen Investor zu finden, sei einfach. Später wird es schwieriger. "Hier wäre es dringend nötig, brach liegendes privates Kapital durch das Schaffen entsprechender Rahmenbedingungen zugänglich zu machen", so Roland-Berger-Senior-Partner und ehemaliger ÖIAG-Chef Rudolf Kemler.

Fünf Handlungsempfehlungen

Basierend auf der Studie, für die unter anderem 53 Interviews mit Gründern, Investoren, Konzernvorständen, Bildungsvertretern und Agenturen geführt wurden, wurden nun fünf Handlungsempfehlungen abgeleitet. Großunternehmen sollten sich stärker für Start-ups interessieren und ihnen unter die Arme greifen. In Wien wird die Errichtung eines zentralen Start-up-Campus gefordert. Auf politischer Ebene soll die Gründung von Start-ups erleichtert werden, indem etwa die Lohnnebenkosten für die ersten drei Mitarbeiter gesenkt werden, eine neue Gesellschaftsform geschaffen wird und Beteiligungen erleichtert werden.

Außerdem will man junge Wissenschafter vermehrt darin bestärken, Unternehmen zu gründen. Etwa mit der Schaffung von Sabbatical-Programmen für wissenschaftliche Mitarbeiter, damit sich diese ein halbes Jahr Zeit für die Kommerzialisierung ihrer Forschung nehmen können. Schließlich soll "unproduktives Kapital" mobilisiert werden, indem die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden. So könnte nach Vorstellung der Studienautoren ein Beteiligungsfreibetrag von 100.000 Euro eingeführt werden. Auch könnten Gewinne und Verluste aus Risikoinvestments gegeneinander aufgerechnet werden.

Wenige Gründerinnen

Ein Problem, das in der Studie nicht aufgegriffen wurde, ist der geringe Anteil an Gründerinnen. Selbst unter den 53 Befragten der Studie befinden sich lediglich sechs Frauen. Für die Branche sei das leider sehr repräsentativ, sagt Tschas auf Nachfrage. Beim Pioneers Festival liege der Anteil der weiblichen Gründer mit 25 Prozent über dem Durchschnitt der Start-up-Szene. Ziel sei ein ausgewogener Anteil von 50 Prozent. Beim Pioneers Festival, das kommende Woche in Wien stattfindet, wird das Thema Gender Diversity entsprechend hervorgehoben. In der Studie hat das Thema trotzdem keinen Niederschlag gefunden.

Nun liege es an Politik, Unternehmen, Investoren und Bildungseinrichtungen, die Forderungen umzusetzen. Optimistisch zeigt sich Tschas über den neuen Bundeskanzler Christian Kern, dem "als Mann aus der Wirtschaft" auch Start-ups wichtig seien. (Birgit Riegler, 18.5.2016)