Wer wie viel vom Gehaltskuchen bekommt muss in Österreich – zumindest im Hinblick auf Männer und Frauen – untersucht werden: Betriebe mit mehr als 150 Mitarbeitern sind seit 2013 verpflichtet so genannte Einkommensberichte zu erstellen.

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"Wie heißt dieser Bericht? Einkommensbericht? Noch nie gehört." Diese Aussage eines Arbeitnehmers wird in der Evaluierung der Einkommensberichte zitiert, die seit 2011 für Unternehmen mit mindestens 150 Mitarbeitern verpflichtend sind. Interessieren würde es viele Arbeitnehmer, so heißt es weiter in der Evaluierung, aber sie wüssten entweder nicht davon oder könnten die beim Betriebsrat einsehbaren Berichte nicht interpretieren. "Ohne Unterstützung wäre es selbst für mich als Betriebsrat schwierig gewesen, den Bericht zu lesen und zu analysieren", wird eine andere Aussage zitiert. Auch bei den Unternehmen selbst seien die Berichte noch nicht sehr beliebt, heißt es auf Nachfrage beim Österreichischen Gewerkschaftsbund.

Neue Player – bald in Österreich

Ähnliche Verhältnisse herrschen in der Schweiz. Urs Klingler konnte dennoch große Kunden wie etwa die Schweizer Bundesbahn dafür gewinnen. Mit seiner Consultingfirma (Klingler Consultants) berät er Firmen in Lohnfragen und erstellt seit 2010 Berichte auf drei Ebenen: "Wir können eine Vorstudie erarbeiten, eine erste Prüfung, ob ein Testat zur fairen Bezahlung erreicht werden kann. Und drittens erstellen wir auch Zertifikate – in Zusammenarbeit mit der nationalen Zertifizierungsagentur – mit denen Unternehmen klar nach außen gehen und werben", sagt der ehemalige Personaler. Bisher hat sein Team etwa 50 Unternehmen und einen Kanton dahingehend geprüft, ob sie hinsichtlich Geschlecht, Alter oder Herkunft diskriminieren. Konkret: Mit bis zu fünf Prozent Unterschied im Gehalt bei gleicher Position gilt man in der Schweiz als diskriminierungsfrei. In Deutschland ist Klingler ebenfalls aktiv, in Österreich sei ein "recht großer Markteintritt" in naher Zukunft geplant.

Blinde Flecken aufzeigen

Warum aber eine externe Organisation mit etwas betrauen, das die meisten Unternehmen selbst erledigen? In den kleineren Firmen würden häufig Experten in Vergütungs- und Lohnfragen fehlen. Größere Unternehmen würden hingegen eine Prüfung durch Neutrale schätzen, bewertet Klingler seine Chancen. "Es ist durchaus sinnvoll, dass eine zweite Partei prüft, um das Unternehmen zu entlasten." Ein großes Problem bei internen Untersuchungen sei zudem, dass die Analyse der Ergebnisse häufig ausbleibe und somit auch keine Taten folgen. Sinn einer Prüfung sei aber gerade das, was hinter den Zahlen stehe, auszuformulieren, sagt Klingler. "Wir wollen blinde Flecken öffnen."

Wer wie viel verdient

Dass die Frage fairer Bezahlung dringender Klärung bedarf, zeigt unter anderem der Gender-Pay-Gap, bei dem Österreich den vorletzten Platz in Europa belegt: Die Gehaltsschere beträgt demnach knapp 23 Prozent, der EU-Schnitt liegt bei 16 Prozent. Natürlich fällt bei den heimischen Zahlen die hohe Teilzeitquote bei Frauen ins Gewicht. Für Alter und Herkunft gibt es nur vereinzelte und spezifische Studien. Da der Rat der Europäischen Union Ende 2014 aber eine Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch große Gesellschaften und Konzerne verabschiedet hat, könnten auch hier bald Berichte gefordert werden. Aktuell wird die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Wie könnte die Umsetzung gelingen?

Sanktionen: Ja oder Nein

Von staatlichem Druck – Stichwort Verpflichtung zu Berichten bzw. Sanktionen bei deren Nichterstellung – hält Klingler naturgemäß wenig. In Österreich sind härtere Vorgaben zwar immer wieder diskutiert worden, zuletzt bei einem Treffen der Sozialpartner im September, auf einen gemeinsamen Nenner ist man hier aber nie gekommen. "Unternehmen sollten allein schon aus Hygienegründen und aus Gründen der Attraktivität diese Maßnahmen setzen", sagt Klingler und betont damit den positiven Effekt auf potenzielle Mitarbeiter. "Vor 50 Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dieses Thema zu berühren. Aber heute sind die Gründe, weshalb man in eine Organisation geht, vielfältiger." Natürlich sei da ein Arbeitgeber, der schwarz auf weiß sagen kann, dass in Lohnfragen nicht diskriminiert werde, attraktiver als einer, der das nicht kann. (Lara Hagen, 23.5.2016)