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Multiresistente Krankenhauskeime sind in den vergangenen Jahren für Spitalsbetreiber zum hochbrisanten Thema geworden.

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Es braucht drastische Vergleiche und prominente Fürsprecher, um ein Gesundheitsthema in die Schlagzeilen zu hiefen: Ein einfacher Schnitt in den Finger könnte schon bald wieder tödlich sein, ein Kaiserschnitt das Ende einer jungen Mutter bedeuten. Mit solchen Vergleichen erregt der britische Wissenschafter Jim O‘Neill Aufmerksamkeit. Er hat eben den Review on Antimicrobial Resistance in Großbritannien veröffentlicht. O‘Neill ist Ökonom und kein geringerer als David Cameron hat ihn im Juli 2014 beauftragt, sich einen globalen Überblick über die Antibiotika resistenten Keime zu verschaffen.

Bis zu zehn Millionen Menschen pro Jahr könnten bis 2050 an resistenten Keimen sterben, so das Ergebnis. "Wenn wir nicht handeln und Antibiotika bei Infektionen nicht mehr wirken, wirft uns das in die finsteren Zeiten der Medizin zurück", so Cameron.

Mediziner sind sich der Problematik seit geraumer Zeit bewusst. Vor allem in den Spitälern steigt die Anzahl der Patienten, bei denen die gängigen Antibiotika gegen weit verbreitete Infektionen nicht mehr wirken. Keime sind lebendige und anpassungsfähige Organismen, die auf ihre Umgebung reagieren. Wer zu oft Antibiotika schluckt, wird unempfindlich. Die Bakterien wachsen im Krankheitsfall weiter und wenn dann auch noch sämtliche Spielarten von Antibiotika versagen, sterben Patienten an einer Sepsis. Multiresistente Krankenhauskeime sind in den vergangenen Jahren für Spitalsbetreiber zum hochbrisanten Thema geworden.

Kaum neue Antibiotika

Doch das ist nicht der einzige Grund zur Sorge. Im Review wird Ursachenforschung betrieben, auch die pharmazeutische Industrie wird kritisiert. In den vergangenen Jahren wurden kaum mehr neue Antibiotika entwickelt, ein Grund, warum O‘Neill auch von der Post-Antibiotika-Ära spricht. Martin Blaser, US-Forscher an der New York University und Autor des Buches "Missing Microbes – how the overuse of antibiotics is fueling our modern plagues", betrachtet das Phänomen evolutionsgeschichtlich. Für ihn haben die fast 100 Jahre Antibiotikaeinsatz zu einer Veränderung der menschlichen Bakterienausstattung geführt. Er warnt nicht nur vor Sepsis, sondern sieht im inflationären Einsatz von Antibiotika auch die Ursache für eine Reihe von Allergien, Diabetes und Adipositas.

Die Warnung der Experten richtet sich allerdings mitnichten nur an Mediziner, die Antibiotika zu schnell verschreiben oder Patienten, die sie fordern. Der Appel geht vor allem auch an die Landwirtschaft und all jene, die Antibiotika in der Tierzucht verwenden. Über die Nahrungskette gelangen die Medikamente dann auch in den menschlichen Organismus. Ökonom O‘Neill spricht sich für einen Zehn-Punkte-Plan im Kampf gegen Antibiotika-Resistenz aus. Um zu verhindern, dass im Jahr 2050 sieben Millionen Menschen jährlich durch resistente Keime sterben, müssten global 35,46 Milliarden Euro investiert werden. (pok, 20.5.2016)