Aufgrund der zentralen Aufgabenstellung des Bifie ist nun Schluss damit, dass jede Schule ein eigenes Süppchen kocht.

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Die Ergebnisse standen noch nicht einmal offiziell fest und schon überschlugen sich die Ereignisse. Die "Krone" titelt die Prognose "Bis zu 70 % mit Fleck in Mathe", der Volksanwalt wird bereits aktiv, um die Sache zu prüfen, und die diesjährige Zentralmatura wird zumindest als "teilweise" furchtbar eingestuft. Es habe sogar gute Schüler getroffen, auch von Spitzfindigkeiten ist die Rede. Man fragt sich: Wie konnte das passieren? Warum tut uns das Bifie so etwas an? Und überhaupt: Wer ist schuld daran?

Aus der Perspektive des Nachhilfelehrers ist die Vorbereitung auf die Zentralmatura das Kerngeschäft, wenn die Nachhilfeschüler die achte Klasse besuchen. Die Frage ist nun, wie diese Vorbereitung aussieht beziehungsweise aussehen soll. Oberste Priorität hat der Umgang mit den bisherigen Bifie-Aufgaben: Es gibt bis dato eine gute Handvoll Maturen der vergangenen Haupt- und Nebentermine und darüber hinaus einige Kompetenzchecks. Last but not least gibt es den bekannten Aufgabenpool, wo genug Übungsbeispiele passend zu den Grundkompetenzen herausgefiltert werden können. So wie meine Generation beziehungsweise die Maturanten vor und nach mir mit den legendären Maturabeispiel-Sammlungen rauf und runter geübt haben, ist es den heutigen "Zentral"-Maturanten möglich, sich darauf vorzubereiten. Und das beinhaltet auch das genaue Lesen und Verstehen der Bifie-Aufgaben.

Keine "Schema F"-Beispiele

Mit der Kenntnis aller bisher zur Verfügung stehenden Beispiele kann man in der diesjährigen Matura keine einzige sprachliche Spitzfindigkeit finden. Schüler und Lehrer wissen bereits seit längerer Zeit, dass es keine "Schema F"-Beispiele mehr geben wird, die reflexartig – ohne echtes Verständnis – heruntergerechnet werden können. Die "alten" Mathematik-Maturen waren ja voll damit. Kurzum: Die Vorbereitung auf die Zentralmatura ist gut möglich, und niemandem werden Steine in den Weg gelegt, um den ersten Teil zu bestehen.

Womit wir bereits bei der nächsten "Spitzfindigkeit" wären: Die Matura besteht aus zwei Teilen, wobei Teil zwei für den Aufschrei "So viele Flecks in Mathe!" eigentlich nicht herhalten kann. Teil zwei dient vor allem dazu, dass bereits positive Schüler sich vom Vierer Richtung Einser verbessern können. Mehr nicht. Eine positive Note erreichen all jene Maturanten, die von den 24 Punkten im Teil eins zwei Drittel – also 16 Punkte – erreicht haben. (Im Teil zwei sind vier Fragen gekennzeichnet und können als Ausgleichspunkte zu den Punkten des ersten Teils gerechnet werden, um den Schwellenwert von 16 Punkten zu erreichen.) Die Suche nach der bestmöglichen Vorbereitung findet ihr Ziel daher in den sogenannten Grundkompetenzen des ersten Teils. Ob eine Angabe im zweiten Teil spitzfindig, gemein oder irreführend ist, hat keinen echten Einfluss auf die Tatsache, ob die Matura bestanden wurde oder nicht. Leider lässt sich in der alltäglichen Berichterstattung nicht herauslesen, wo genau die Schuhe unserer Maturanten gedrückt haben.

Die guten alten Zeiten

Sobald also eine Flut an "Nicht genügend" über die österreichischen Maturanten hereinbricht, wollen alle wissen, wie das möglich war und wie es überhaupt dazu gekommen ist. Interessanterweise gab es nie Statistiken beziehungsweise hat sich die breite Öffentlichkeit nie dafür interessiert, wie viele "Fetzen" es im alten System gab. Jede Schule hatte ihre eigenen Beispiele, abhängig von der Einschätzung der jeweiligen Lehrer.

In diesen guten alten Zeiten war die Matura "hausgemacht": Die Schule wusste (oder glaubte zu wissen), was für ihre Maturanten passend wäre. Dass dieses System fair war, darf man bezweifeln. Für mich als Nachhilfelehrer gab es ein großes Gefälle zwischen den Schultypen zu beobachten – und teilweise auch innerhalb einer Schule, je nach Lehrer. Als Schüler hatte man leichtere oder schwere Bespiele zu lösen, ganz nach Lust und Laune. Aufgrund der zentralen Aufgabenstellung des Bifie ist nun Schluss mit dem Kochen des eigenen Süppchens. Es ist nun ein klarer Auftrag der Schule, die Schüler auf diesen Tag X vorzubereiten.

Schlechte Vorbereitung

Klingt eigentlich simpel, und es könnte auch so sein, wenn da nicht eine kleine Unsicherheit wäre: der Lehrer und sein Unterricht. Überspitzt ausgedrückt müssen Eltern während der Oberstufe vier Jahre lang zusehen und hoffen, dass das wohl so umgesetzt wird wie gedacht. Da Eltern aber in den meisten Fällen – ohne ihnen nahetreten zu wollen – keinen Schimmer mehr von der Mathematik ihrer Schulzeit haben und darüber hinaus mit dem neuen System der Prüfungsmodalitäten, Blockpunkte und Grundkompetenzen nicht vertraut sind, bleibt ihnen keine andere Wahl.

Als Nachhilfelehrer ist man in der "spannenden" Situation – positiv wie negativ gemeint –, alle maturagerichteten Vorbereitungen oder leider manchmal auch fehlenden Vorbereitungen der Lehrer direkt vor der Nase zu haben. Hier schließt sich wieder der Kreis zur erwähnten Unsicherheit. Dem Mathematiklehrer steht es natürlich frei, genauso zu unterrichten wie früher und auch denselben Stoff in aller epischen Breite durchzunehmen. Daran hat sich ja gesetzlich nichts geändert. Er oder sie kann auch die Schularbeiten so zusammenstellen wie früher. Ob das der beste Weg für alle Beteiligten ist, darf jedoch bezweifelt werden.

Bessere Vorbereitung

Wie soll nun eine bessere Vorbereitung auf die Zentralmatura erfolgen? Zum einen kann der Lehrer jenem Stoff mehr Gewicht geben, der maturarelevant ist und sich im ersten Teil wiederfindet. Das heißt auf der anderen Seite, weniger Zeit zu investieren, um Kreise mit Geraden und Ellipsen mit Hyperbeln zu schneiden. Zum anderen soll den Schülern der Zugang zu den Ressourcen der eingangs erwähnten Bifie-Unterlagen ermöglicht werden. Ich beobachte immer wieder mit Freude, wenn schulische Moodle-Plattformen gut bestückt sind, damit dem, der lernen und üben möchte, auch die Möglichkeit dazu geboten wird.

Schlussendlich: Wer sich auf die diesjährige Matura vorbereitet hat, für den war sie auch kein Problem. Es ist den jungen Leuten – und zumeist zukünftigen Akademikern – zumutbar, sich online die bisherigen Maturen aus Mathematik zu besorgen und sich damit zu beschäftigen. Der erste Weg sollte immer der zu den Schulkollegen sein, um mathematische Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Die bezahlte Nachhilfe sollte immer der letzte Ausweg sein. Denn Nachhilfelehrer sind keine "Zauberer", die innerhalb von drei Wochen alles ausgleichen können, was jahrelang schiefgelaufen ist. (Rainer Saurugg-Radl, 1.6.2016)