Gegen Hass im Web: der niederländische Integrationsminister Lodewijk Asscher.

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Sylvana Simons hat ihn satt, "diesen rassistischen Schlamm", der jeden Tag über ihr ausgekippt wird. Als "Affe" muss sie sich beschimpfen lassen, als "Heulneger" – weil sie schwarz ist. Weil sie in den Niederlanden nur aufgewachsen ist. Denn Simons stammt aus der ehemaligen Kolonie Surinam. "Das Problem muss endlich erkannt werden", fordert sie. "Und die Debatte über Rassismus muss man auch in der politischen Arena führen."

Um diese Ziele zu erreichen, hat sich die beliebte TV-Moderatorin Denk angeschlossen, einer umstrittenen Splitterpartei, die als erste Migrantenpartei Europas in die Schlagzeilen geraten ist. Denk will Rassismus und Diskriminierung bekämpfen und sich für Gerechtigkeit und Chancengleichheit einsetzen. Damit eine Gesellschaft entsteht, die sich verträgt.

Gegründet wurde die neue Partei von zwei türkischstämmigen Abgeordneten, die die sozialdemokratische Partei der Arbeit im Streit verlassen hatten: Sie hoffen auf mindestens einen, wenn nicht fünf der 150 Sitze bei der nächsten Parlamentswahl 2017. Die Niederlande kennen keine Fünf-Prozent-Hürde, und von den rund 17 Millionen Einwohnern haben 3,6 Millionen einen Migrationshintergrund.

"Partei für alle Niederländer"

Bei den inzwischen 2.600 Parteimitgliedern von Denk handelt es meist um sogenannte Neue Niederländer. Aber, betont Tunahan Kuzu, einer der beiden Parteigründer: "Wir sind alle Niederländer, egal woher wir ursprünglich kommen. Die niederländische Staatsbürgerschaft verbindet uns als gemeinsame Identität. Deshalb wollen wir auch eine Partei für alle Niederländer sein."

Denk sieht sich als Gegenbewegung zur islamfeindlichen Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders: "Wir wollen die Rechtspopulisten bremsen", so Kuzu. Deren Aufstieg habe zu einer Verrohung der Gesellschaft geführt. Trotz ihrer hehren Ziele ist die Partei umstritten: Laut Parteiprogramm soll jede Gemeinde ein Gastarbeiterdenkmal bekommen, Migrationsgeschichte solle zum Pflichtfach werden. Die Zeit der Integration sei vorbei, die der Akzeptanz angebrochen.

Was der neuen Partei ebenfalls viel Kritik eingebracht hat: Denk weigert sich, den türkischen Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg anzuerkennen. Und unterstützt nicht nur die AKP des türkischen Präsidenten Erdogan, sondern auch dessen Regierungsstil und autoritäres Auftreten.

Dennoch hat sich eine Reihe bekannter Niederländer Denk angeschlossen. Die prominenteste ist Sylvana Simons. Der darauffolgende Shitstorm und das Ausmaß von Hohn und Hass auf sie haben Entsetzen und Scham ausgelöst. Seit Jahrhunderten sehen sich die Niederlande als Zufluchtsort für Andersdenkende und Andersgläubige und hegen das Selbstbild einer toleranten Nation. Nun müssen sie erkennen, wie groß die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist.

Simons hat inzwischen Anzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Integrationsminister Lodewijk Asscher hat die Beleidigungen scharf verurteilt. Sogar die konservative Wochenzeitschrift Elsevier bezog klar Stellung. "Komm runter auf den Teppich, weißer Mann!", forderte sie. "Die Niederlande gehören nicht nur dir, sondern auch Sylvana." (Kerstin Schweighöfer aus Den Haag, 3.6.2016)