Es gibt Menschen, die einfach nicht dazu fähig sind, sich zu entschuldigen – und solche, die es ständig tun. Beides scheint der Karriere nicht unbedingt zuträglich. "Manche Menschen verwenden 'Es tut mir leid' als eine Art Füllsatz oder sagen es, um höflich zu sein", sagt Michael Kerr, Business-Speaker und Autor von "The Human Advantage", zu den Ursachen. "Andere wiederum entschuldigen sich, um damit ihren Vorgesetzten Autorität zu zollen – und wieder andere entschuldigen sich lieber, als Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen". Ein Beispiel dafür: "Es tut mir wirklich leid, aber wir können den Report unmöglich bis Montag fertig bekommen."

Welche Gründe auch immer dahinter stecken, Entschuldigungen haben einen großen Nachteil, sagt Kerr: Sie lassen einen passiv, entscheidungsschwach oder sogar unverlässlich wirken. Natürlich solle man sich entschuldigen, wenn man die Gefühle eines Kollegen verletzt, Fehler gemacht habe, die anderen Schaden zufügen (dem Unternehmen, den Klienten, dem Chef oder den Kollegen). "Aber entschuldigen Sie sich niemals für Dinge, die außerhalb Ihrer Kontrolle liegen, es sei denn, Sie tragen die absolute Verantwortung für jene Abteilung, wo es massive Probleme gibt", rät Karriere-Beraterin Lynn Taylor. "Außerdem: Wenn Sie sich entschuldigen, stellen Sie keine Erwartungen an die andere Person. Verlangen Sie nicht von ihr, dass sie sagt 'Mach' dir keine Sorgen, es passt schon'. Entschuldigen Sie sich mit der bloßen Intension, Ihren Standpunkt klar zu machen", sagt Taylor.

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Zehn Situationen, in denen man eine Entschuldigung besser sein lassen sollte:

1. Wenn es einem nicht wirklich leid tut

Jeder kennt diese Art von Entschuldigung: Jemand behauptet, es täte ihm leid – in Wahrheit tut es das aber nicht. "Wenn eine Entschuldigung aber voll Sarkasmus ist oder Unehrlichkeit und Sie sagen es hauptsächlich, weil Sie das Problem aus dem Weg räumen wollen, dann lassen Sie es besser bleiben", sagt Kerr. "Heben Sie sich Ihre Entschuldigung für später auf", dann, wenn Wut und Unmut vielleicht verflogen sind und es einem wirklich leid tue.

2. Wenn es eigentlich keinen Grund für eine Entschuldigung gibt

Jene Menschen, die Entschuldigungen als Satzfüller oder Ausdruck von Höflichkeit nutzen, sollten sich fragen, ob zu dem, was sie sagen wollen, "Entschuldigung" wirklich passt, sagen die Jobberater. So sei "Ich muss auf die Toilette, entschuldigen Sie mich" adäquater als "Entschuldigung, ich muss auf die Toilette".

3. Wenn man eine Entscheidung nach den eigenen Prinzipien trifft

Ebenfalls nicht entschuldigen sollte man sich, wenn man eine Handlung rechtfertigt, die den eigenen Glaubenssätzen und Werten entspricht. "Es tut mir leid, aber ich kann die Kunden nicht anlügen", sollte beispielsweise nicht als Entschuldigung formuliert werden, sagt Kerr.

4. Wenn Sie damit die eigene Arbeit schlecht machen

Wenig ratsam sei, etwa eine Präsentation mit einer Entschuldigung zu starten: "Es tut mir leid, aber ich hatte nicht besonders viel Zeit, an diesem Vortrag zu arbeiten. Ich hoffe, Sie haben Verständnis." Berater Kerr: "Alles, was Sie damit bewirken, ist, dass Sie Ihre Arbeit im Vorhinein herabwürdigen. Vielleicht gefällt Ihrem Publikum die Präsentation ja."

5. Wenn man seinen Job kündigt

"Es tut mir leid, aber ich habe ein besseres Jobangebot erhalten" klingt, als würde man sich um Höflichkeit bemühen, weil man fürchtet, andere im Stich zu lassen. "Aber geben Sie es doch zu: In Wahrheit tut es Ihnen nicht leid!", mahnt Kerr. "In Wahrheit sind Sie glücklich über das gute Angebot." Sich in diesen Situationen zu entschuldigen, irritiere und verleite das Gegenüber zu dem Gedanken: "Wenn es Ihnen so leid tut, könnten Sie doch auch in Ihrem aktuellen Job nochmals so richtig durchstarten?", so Kerr.

6. Wenn man nicht schuld ist

Man solle sich seine Entschuldigungen für Fehler aufsparen, die man zu 100 Prozent selbst zu verantworten hat, sagt der Karriereberater.

7. Wenn man gebeten wird, sich für andere zu entschuldigen

Wenn ein Kollege sagt: "Ah, du triffst dich heute mit Daniela? Könntest du ihr bitte ausrichten, dass sich das mit der Abgabe heute nicht ausgehen wird?" – sollte man das keinesfalls tun. Eine angemessene Reaktion auf eine solche Bitte wäre etwa, zur Kollegin zu sagen: "Daniela, ich glaube, Sascha wollte etwas mit dir besprechen." Dem Kollegen solle man wiederum erklären, dass man sich nicht wohl bei diesem Gefallen fühlt – und dass die Entschuldigung sicher besser ankommt, wenn er sie persönlich ausspricht.

8. In einer Debatte

Manche Menschen fühlten sich dazu bemüßigt, sich in einer solchen Situation zu entschuldigen. Der Grund: Sie denken, damit einem Konflikt gegenwirken zu können. Aber jemand, der sich für seine eigene Meinung entschuldigt, wirke defensiv anstatt selbstsicher und überzeugt von seinem Standpunkt, sagt Kerr.

9. Wenn man sich über Fehler anderer beschwert

Ein Beispiel: "Es tut mir leid, aber du kannst hier keine sexistischen Kommentare bringen." Jobberater Kerr: "Die Person, die sich eigentlich entschuldigen sollte, ist jene, die sexistische Kommentare bringt, nicht Sie, die dieses Verhalten ankreiden. Sich in dieser Situation zu entschuldigen, lässt Ihre Gefühle unberechtigt erscheinen – und bei anderen den falschen Gedanken entstehen, dass Sie vielleicht derjenige sollten, dem es leid tut."

10. Bevor man jemanden um einen Gefallen bittet

"Es tut mir leid, aber würde es dich stören, mir kurz zu helfen?" oder: "Ich hasse es zu fragen, aber könntest du mir bei etwas helfen?" seien die falschen Wege, jemanden um einen Gefallen zu bitten, denn: würde man sich wirklich schlecht fühlen, würde man schließlich nicht fragen. Besser: Direkt mit der Bitte zu beginnen, alternativ auch mit einem Kompliment wie: "Du kennst dich doch super mit Excel aus. Würde es dich stören, mir dabei zu helfen, die Kalkulationstabelle zu erstellen?" (lib, 8.6.2016)