Neue Rechnungshofpräsidentin Kraker: Von der SPÖ nur deshalb gewählt, um eine andere Kandidatin zu verhindern.

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Die Urteile der Beteiligten klangen so, als kämen diese von unterschiedlichen Veranstaltungen. Von "mieser Packelei alten Stils" kündete Neos-Chef Matthias Strolz, als er das Lokal VIII des Parlaments verließ. Ganz anders tönte Andreas Schieder. "Der Sieger", behauptete der SPÖ-Klubobmann, "ist der Parlamentarismus in seiner lebhaften Form."

Lebhaft war es tatsächlich zugegangen vor dem Showdown am Donnerstagmorgen. Intensiv hatten SPÖ und ÖVP um die Nachfolge des scheidenden Rechnungshofpräsidenten Josef Moser gerungen, zeitweise schien sogar ein Koalitionsbruch möglich. Nur mit Ach und Krach schafften Rot und Schwarz doch noch eine Einigung: Im Hauptausschuss des Nationalrats wählten sie Margit Kraker zur neuen obersten Kontrollorin der Republik. Die 55-jährige Juristin führt seit 2013 den steirischen Landesrechnungshof, war davor aber auch 13 Jahre Büroleiterin des heutigen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer.

Gegen Kerns Anforderungsprofil

Krakers Kür widerspricht damit dem an höchster Stelle formulierten Anforderungsprofil: Bundeskanzler Christian Kern wollte an der Spitze des Rechnungshofs niemanden aus dem engen Kreis der Parteien und Regierungskabinette sehen. Im Vorfeld hatte der designierte SPÖ-Chef deshalb den Versuch gestartet, gemeinsam mit der ÖVP eine unabhängige Kandidatin zu finden. Doch das Projekt kam nicht zustande.

Es habe sich keine passende Persönlichkeit ohne parteipolitischen Stallgeruch angeboten, argumentieren manche in der ÖVP. Eine andere, von Funktionären beider Koalitionsparteien vertretene Erklärung hingegen lautet: VP-Klubchef Reinhold Lopatka habe gezielt eine Einigung hintertrieben, um politisch mit den Freiheitlichen fremdzugehen. "Lopatka wollte einen Doppelschlag gegen die SPÖ setzen", sagt einer aus der schwarzen Riege: Er habe der FPÖ eine genehme Figur für den Rechnungshof servieren wollen, um sich im Sommer die blaue Unterstützung für die Abwahl von ORF-Chef Alexander Wrabetz zu sichern.

Schwarzer Köder für die FPÖ

Den geeigneten Köder hatte Lopatka parat: Neben Kraker nominierte der VP-Klub auch die 43-jährige Helga Berger, heute Chefin der Budgetsektion im Finanzministerium, einst aber enge Mitarbeitern blauer Größen von Jörg Haider über Susanne Riess-Passer bis zu Josef Moser. Und tatsächlich hatte Berger am Donnerstag die Aussicht auf eine Mehrheit.

Die Wahl im Hauptausschuss begann mit einem Patt: Die SPÖ wählte den von ihr und dem Team Stronach nominierten Rechnungshof-Sektionschef Gerhard Steger, der im Hearing am Mittwoch so überzeugt hatte, dass auch Grüne und Neos für ihn votierten. Doch auf die notwendige Mehrheit von 15 Stimmen fehlte eine, womit klar war, dass eine der VP-Kandidatinnen das Rennen machen wird. Lopatka und Co hätten im zweiten Wahlgang mit der FPÖ und der dazu bereiten einzigen Stronach-Stimme Berger küren können, machten letztlich aber doch gemeinsame Sache mit dem Koalitionspartner. Um wenigstens die blau-affine Berger zu verhindern, stimmten die Sozialdemokraten Kraker zu.

Widerstand in der ÖVP

Warum Lopatka den schwarz-blauen Deal nicht durchgezogen hat? Mehrere Interpretationen schwirren herum. Im Parlamentsklub habe es Widerstand gegen Berger gegeben, steirische Abgeordnete hätten sich für Kraker starkgemacht – eine Mehrheit im Nationalratsplenum, wo die neue Präsidentin am 16. Juni endgültig gewählt wird, sei nicht sicher gewesen. Außerdem sollen Parteichef Reinhold Mitterlehner und andere auf die Koalitionsräson gepocht haben. Schließlich hätte ein derartiges Foul an der SPÖ die Regierungsarbeit schwer belastet.

Denkbar ist aber auch, dass Lopatka Berger nur als Druckmittel einsetzte, um die SPÖ zum Ja für Kraker zu zwingen. Angefressen sind so oder so die Freiheitlichen, die an die gemeinsame Wahl Bergers geglaubt hatten und sich von Lopatka fallengelassen fühlen – das drohe sich bitter zu rächen, glauben manche in der ÖVP, etwa bei der nahenden ORF-Wahl. Schließlich werde sich die FPÖ nun nicht mehr so schnell auf eine Abmachung einlassen.

Unzufrieden ist auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Das Kandidatenhearing sei zwar ein Fortschritt gewesen, sagt sie, doch SPÖ und ÖVP müssten noch lernen, ihre Wahl gemäß der dort gezeigten Qualifikationen zu treffen – und die hätten eindeutig für Steger gesprochen. (Gerald John, 9.6.2016)