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Wiktor Wladimirowitsch Ponedelnik schoss die Sbórnaja 1960 zum EM-Titel.

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Die erste Europameisterschaft hieß nicht Europameisterschaft, sondern Europapokal der Nationen. 1957 hatten sich die Mitgliedsverbände der europäischen Fußballunion (Uefa) dazu entschlossen, einen Kontinentalvergleich für Nationalmannschaften ins Leben zu rufen. Die Freude über das Neugeborene hielt sich in Grenzen. Gestandene Fußballländer wie Deutschland, Italien, Belgien oder die Niederlande sprachen sich gegen die Idee aus, die Briten zeigten sich desinteressiert und enthielten sich beim Votum der Stimme.

Dem Feld der schlussendlich 17 Teilnehmer gebrach es somit schon vor dem Start an einer ganzen Reihe von Kapazundern. Sehr wohl mit von der Partie war der österreichische Fußballbund (ÖFB), dessen Auswahl sich mit einem Gesamtscore von 6:2 nach Hin- und Rückspiel gegen Norwegen auch gleich für das Viertelfinale qualifizierte. Dort jedoch baute sich mit dem WM-Dritten Frankreich ein übermächtiger Gegner auf. Nach einem 2:5 in Paris waren die Aussichten für die Elf von Teamchef Karl Decker auf ein Minimum gesunken, kaum jemand glaubte an ein Wunder im Retourmatch. Zu Recht, denn auch in Wien behielten die Franzosen mit 4:2 die Oberhand.

Erstes Finale und gleich die erste Verlängerung: den Titel holt sich das Team aus der Sowjetunion.
Enki2011

Die Arbeiter-Zeitung beurteilte die Leistung der Gastgeber mitleidlos: "Selten war der körperliche Unterschied zwischen zwei Nationalmannschaften so auffällig wie zur Begrüßung vor diesem Länderkampf. Die Franzosen: zumeist hoch gewachsen und bis zum letzten Gramm austrainiert, jeder Spieler, auch der kleine Kopa, ein Athlet. Die Österreicher: im Durchschnitt kleiner als der Gegner, im Vergleich hölzern und behäbig wirkend. Und wie sie so dastanden, während der Hymnen, der Nemec, der Horak und all die anderen, da ahnte man schon ihre Unbeholfenheit gegenüber dem gefinkelten Gegner."

Die in Frankreich ausgespielte Endrunde war, gerade im Vergleich zur aufgeblähten Ausgabe 2016, eine äußerst kompakte Angelegenheit. Vier Teams traten an, man kam mit zwei Spielorten aus, und nach fünf Tagen war der Spuk schon wieder vorbei. Dass es mit Jugoslawien, der ČSSR sowie der Sowjetunion gleich drei Mannschaften aus kommunistisch regierten Ländern in die Entscheidung geschafft hatten, war kein Zufall. Die Osteuropäer hatten den neuen Nationencup von Anfang an ernst genommen. Die Herrlichkeit der Gastgeber endete mit einem 4:5 gegen Jugoslawien. Im Finale setzten sich die Sowjets gegen die Jugoslawen durch. Wiktor Wladimirowitsch Ponedelnik, Stürmer beim Armeesportklub Rostow, schoss in der Verlängerung (113.) das Siegestor zum 2:1. Es war der erste und bislang letzte Titel der Sbórnaja. (Michael Robausch, 9.6.2016)