Südafrikanische Gläubige gedenken des Aufstandes in Soweto vor 40 Jahren.

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Der getötete Schüler Hector Pieterson wurde zum Symbol für die Ungerechtigkeit des Systems.

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An den blutigen Schüleraufstand in Soweto erinnert ein Denkmal für Hector Pieterson. Der junge Schüler wurde bei den Protesten am 16. Juni 1976 in der südafrikanischen Township von den Polizisten des Apartheid-Regimes erschossen. Sein Foto ging um die Welt: Der Zwölfjährige wird in den Armen eines Schülers fortgetragen. Er ist eines der ersten von über 170 Opfern an diesem Tag.

Die Geschichte gilt heute als "Anfang vom Ende" der Apartheid. Ein Museum direkt neben dem Gedenkstein für Pieterson im Viertel Orlando West erzählt heute davon: vom Tag, als die Wut über die neue Schikane der weißen Minderheitsregierung, die Buren-Sprache Afrikaans als Unterrichtssprache einzuführen, in den Schulen hochkochte. 15.000 Kinder und Jugendliche demonstrierten. Die weiße Polizei reagierte mit absoluter Gewalt und schoss in die Menge der Schulkinder. Am nächsten Tag breiteten sich Proteste im ganzen Land aus.

Kein Entkommen vor der Vergangenheit

40 Jahre später erlebt Südafrika erneut Aufstände junger Leute, die ihren Frust und Ärger nicht nur durch Steinewerfen wie damals in Soweto ausdrücken. Sie randalieren in den Universitäten, stecken Schulen und Lehranstalten in Brand, verwüsten Büchereien und fordern die Abschaffung von Studiengebühren. Das Land steckt in seiner größten politischen und wirtschaftlichen Krisen seit dem Ende der Apartheid.

Was hat sich verändert, zwei Jahrzehnte nach der demokratischen Wende? Der Wunsch, eine harmonische Regenbogennation zu werden, hat sich nicht erfüllt. Zu belastet ist die Vergangenheit, zu verwundet die Gesellschaft, um angesichts enormer Herausforderungen einfach gemeinsam voranzuschreiten.

Sturz alter Denkmäler

Die Minderheit der Weißen genießt den Wohlstand – die Mehrheit der Schwarzen ist arm und wartet vergebens auf das bessere Leben, das ihnen von Nelson Mandelas Regierung versprochen wurde. Südafrika leidet auch immer noch unter Rassismus, der täglich in der Gesellschaft zu spüren ist. Er flammt auf in den sozialen Medien, am Arbeitsplatz, im Alltag. Junge Leute gehen auf die Barrikaden: Weiße Denkmäler, die ehemalige Kolonialherren verehren, sind an den Universitäten Anfang des Jahres gestürzt worden.

Seither kämpfen politische Gruppen wie etwa "Rhodes Must Fall" für die Transformation des Hochschulwesens. Die Proteste sind militanter geworden. Die Zukunft in einem immer noch von weißer Wirtschaftsmacht gesteuerten Land ist für viele Studenten schwierig, und sie versuchen, ihre Identität zu finden. Oft beklagen sie Verrat an den Idealen der Befreiungsbewegung.

Keine Perspektive für die Jungen

Es sind häufig die sogenannten Born-Frees, die erst nach dem Ende der Apartheid geboren worden sind, die desillusioniert gegen die Ungleichheit auch im Erziehungs- und Bildungssystem protestieren. Schwarze Studierende stammen eher aus armen Haushalten und können die Studiengebühren kaum bezahlen. Ein Studienjahr an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg kostet derzeit etwa 2000 bis 3800 Euro. Demonstranten blockierten immer wieder Eingänge der Unis. Der Staat reagierte auch jetzt mit Polizeitruppen.

Obwohl eine schwarze Mittelschicht herangewachsen ist, bleibt die Masse enttäuscht. Die Jugendlichen fordern selbstbewusst eine gerechtere Zukunft und wehren sich gegen das Unvermögen ihrer schwarzen Regierung, aber auch gegen weiße Leitbilder in Schulbüchern und in der südafrikanischen Gesellschaft.

Das Trauma des Massakers 1976 in Soweto sitze noch tief, sagt Dee Mashinini, Bruder des damaligen Studentenführers Tsietsi Mashi nini. "Damals konnten wir der Welt die Verbrechen und die Härte der Apartheid zeigen", sagt er bei einer Gedenkfeier in Soweto. "Jetzt haben wir ein anderes Pro blem. Wenn ich ein Haus im Vorort kaufe, neben einem Weißen, dann zieht diese weiße Person in drei Monaten weg." (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 16.6.2016)