Wien – Der ORF orientiert sich beim neuen multimedialen Newsroom, der bis 2020 am Wiener Küniglberg entstehen soll, an Projekten wie jenen des Dänischen Rundfunks. "Wir waren schon mehrfach dort und werden jetzt auch kleine Teams hinschicken", sagte Projektleiter Stefan Ströbitzer zur APA. Ströbitzer hält dazu am Donnerstag auch einen Vortrag am in Wien stattfindenden Medienkongress GEN-Summit.

Man baue einen für den ORF maßgeschneiderten Newsroom, "wir kopieren also grundsätzlich kein Modell einer anderen Medienanstalt", betonte Ströbitzer. "Dennoch haben wir nicht mehr als zehn unterschiedliche Newsroom-Modelle besucht und genau analysiert, sowohl in baulicher als auch in Arbeitsablauf und technischer Hinsicht und unsere Schlüsse daraus gezogen."

Kleine Teams

Was sich baulich bereits über den Newsroom sagen lässt: Ein Großraumbüro mit 350 Journalisten in einem Raum wird es nicht werden. "Wenn ich im Silicon Valley was gelernt habe, dann das selbst wenn da tausend Personen an der Entwicklung eines Computerchips beteiligt sind, sich das auf ganz kleine Teams von fünf bis zehn Mitarbeiter herunterbricht, die über moderne Softwaresysteme mit den anderen Entwickler-Teams vernetzt sind, aber nicht in einem Raum." Man wolle für den ORF-Newsroom aber trotzdem flexible Räumlichkeiten, "weil wer von uns weiß denn, welche Angebote wir 2030 genau herstellen werden", sagte Ströbitzer. "Die Architekten nennen das ein 'atmendes Gebäude'."

Der ORF hat für die Umsetzung des trimedialen Newsrooms unter anderem den Infochef des Dänischen Rundfunks, Ulrik Haagerup, zu sich eingeladen. Haagerup gilt mit seinem Buch "Constructive News" quasi als Prophet der Medienbranche. Er empfiehlt Medien, weniger negativ zu berichten und stattdessen konstruktive Nachrichten mit Lösungen zu liefern. Der ORF will diesen Ansatz und den Bereich des Datenjournalismus stärken. Als Beispiel für eine bereits gelungene ressort- und die Mediengattungen übergreifende, investigative und datenjournalistische Zusammenarbeit nannte Ströbitzer die "Panama Papers".

Redaktionssystem

Teil des Newsroom-Projekts sei auch ein gemeinsames Redaktionssystem, dieses ist bereits im Einsatz. "Es können heute alle ORF-Journalisten vom Bodensee bis zum Neusiedlersee das Redaktionssystem einsehen und gemeinsame Themen planen", sagte Ströbitzer. Auch ein Leitbild für das multimediale Arbeiten ist bereits umgesetzt. "Darin sagen wir, dass wir gemeinsam Ideen entwickeln, unser Wissen teilen und aufeinander vertrauen – also ein ORF sind."

Die Grundzüge des redaktionellen Mammutprojekts stehen bereits. Die tagesaktuellen Redaktionen, derzeit unterteilt in Aktueller Dienst Fernsehen, Aktueller Dienst Radio und news.orf.at, werden in einem Newsroom-Bereich zusammenarbeiten. Ein zweiter Newsroom-Bereich entsteht für alle Sportredaktionen. Die dritte crossmediale Zusammenarbeit umfasst die Bereiche Kultur, Religion und Wissenschaft. "Ich fördere die Zusammenarbeit der jetzt nach Mediengattungen getrennten Redaktionen, damit im Newsroom ein optimales Zusammenspiel aus Fachressorts und Sendungsteams entstehen kann", sagte Ströbitzer.

Dreistufige Publishing-Strategie

Dementsprechend wird es eine dreistufige Publishing-Strategie geben: Die erste Ebene umfasst die tagesaktuelle Berichterstattung, eine immer stärkere Rolle werde dabei das mobile Digitalangebot spielen. "Im offenen Kernbereich des multimedialen Newsrooms werden Radio und Fernsehen gemeinsam mit Digitaljournalisten die tagesaktuelle Nachrichten-Grundversorgung sicherstellen", erklärte Ströbitzer. Stufe zwei betrifft das steigende Bedürfnis nach Hintergrund-Informationen. "Alles was wir an Synergien in der Nachrichten-Grundversorgung heben können, werden wir in den Ausbau des Fachjournalismus stecken", so Ströbitzer. Es soll auch ein eigenes Team für Datenjournalismus geben. Auf der dritten Ebene geht es um den Dialog und die Vernetzung mit dem Publikum. "In Zeiten von Social Media lässt sich das Publikum nicht einfach nur berieseln, sondern möchte eingebunden sein in die Berichterstattung."

Die aktuellen Sender- und Markenidentitäten sollen erhalten und weiterentwickelt werden. Dafür wird es weiterhin Sendungsverantwortliche und Produktionsteams geben. "Klar ist, dass es von der Geschäftsführung und von uns ein Bekenntnis gibt zu Themenvielfalt und innerer Pluralität." So werde es auch möglich sein, die unterschiedlichen Formate und Angebot nach Zielgruppen zu gewährleisten. (APA, 16.6.2016)