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Nach der Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991 versuchte die Jugoslawische Volksarmee, die Grenzübergänge in Slowenien zu besetzen.

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Marko Kern war 17 Jahre alt, als der Slowenienkrieg begann.

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Es war heiß, es war Schulschluss. Marko konnte ein bisschen länger schlafen, er war erst um zwei Uhr früh von einem Sommerfest zurückgekommen. Als er vom Radio aufgeweckt wurde, stand sein Vater mit grimmigem Blick am Küchenfenster. "Wieso bist du nicht zur Arbeit gefahren?", fragte Marko. "Wie kann ich zur Arbeit fahren, wenn da unten ein Panzer die Straße blockiert?", meinte der Vater. Marko nahm das Rad seiner Großmutter und fuhr hinunter. "Ich war voller Adrenalin", erinnert er sich an jenen Tag in seinem Heimatort Komenda unweit von Ljubljana.

Die Division der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) war bereits weitergezogen, aber drei Soldaten saßen noch im Panzer: Ein Mazedonier, ein Kroate und ein Kosovare aus Prishtina, und sie richteten ihre Waffen auf den 17-jährigen Marko Kern. "Was tut ihr jugoslawischen Schurken hier?", schimpfte er. "Als ich vor dem Panzer stehenblieb, wurde mir klar, dass die Soldaten noch mehr Angst hatten als ich."

88,2 Prozent für eigenen Staat

Bereits im Dezember 1990 hatten sich 88,2 Prozent der Slowenen für die Loslösung aus der Föderativen Republik Jugoslawien ausgesprochen. Am 25. Juni 1991 erklärten sich Slowenien und Kroatien dann für unabhängig.

Bereits am nächsten Tag in der Früh verließen Einheiten der JNA ihre Kasernen. Als die Panzer heranrückten, bauten die Slowenen Straßenbarrieren. Ein Kampfgerät des Typs T84 blieb im Gestrüpp stecken. Es war jener Panzer, zu dem Marko Kern gefahren war.

Einer der JNA-Soldaten erklärte ihm, dass Österreich Jugoslawien angreifen werde und dass sie die Grenze verteidigten. Marko meinte, dass dies nicht richtig sei, sondern dass sich Slowenien bloß von Jugoslawien abspalten wolle. Die Soldaten stiegen aus dem Panzer und tratschten mit Marko. Später wurden sie von der slowenischen Territorialverteidigung verhaftet. In den kommenden Tagen desertierten viele JNA-Soldaten – insbesondere Kroaten und Bosnier.

Zehn Tage lang versuchte die slowenische Territorialverteidigung mit einigem Erfolg, die Grenzübergänge zu verteidigen oder zurückzuerobern. "Wir hatten keine Angst, dass daraus ein großer Krieg wird, weil wir wussten, dass wir durch unsere Nachbarn Österreich, Italien und Ungarn beschützt sind", meint Kern heute. Man wusste auch, dass das Regime in Belgrad kein Interesse an dem kleinen mitteleuropäischen Land hatte, weil dort kaum Serben lebten. So wie heute kein Slowene an der Entscheidung für die Unabhängigkeit zweifelt, so sicher war man sich seiner Sache bereits damals.

Ihr werdet noch niederknien!

In Komenda sahen die Kerns zu, wie der Rundfunksender auf dem Berg Krvavec bombardiert wurde. Die Leute sollten von Informationen abgeschnitten werden. Über Komenda flogen Hubschrauber in Richtung österreichische Grenze. Einer landete neben dem Panzer. Der Pilot namens Toni Mrlak stieg aus und sagte zu den herumstehenden Slowenen: "Ihr werdet noch vor uns niederknien!" Am nächsten Tag wurde er mit dem Hubschrauber abgeschossen und verstarb. Am 5. Juli wurde der Waffenstillstand beschlossen, das Brijuni-Abkommen setzte dem Krieg ein Ende, die JNA zog ab.

In Komenda aber begannen sich die Leute über den Panzer herzumachen. Das Rad von Markos Oma landete als Zeichen der Eroberung auf dem Geschützturm. Die Schießvorrichtung wurde abmontiert. Der Panzer wurde mit Benzin übergossen, die Explosion war weit zu hören. Ein Teil wurde 20 Meter weit in die Luft geschleudert. Ein paar Kühe starben. Jugoslawien war sinnbildlich in die Luft gegangen. (awö, 24.6.2016)