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Nigel Farage.

Foto: REUTERS/Stefan Wermuth

Freitagmorgen, halb sieben Uhr früh. Die Ergebnisse des Brexit-Referendums waren noch nicht einmal offiziell bekannt, da kassierte Nigel Farage auch schon eines der wichtigsten Brexit-Versprechen wieder ein: Nein, sagte er, er könne nicht garantieren, dass das Geld, das bisher von der Insel nach Brüssel geflossen sei, nun direkt ins Gesundheitswesen umgeleitet werde. 350 Millionen Pfund schicke Großbritannien jede Woche nach Brüssel, hatten die Brexit-Fürsprecher stets behauptet. Das war zwar plakativ, aber nun mal falsch. Also warf Farage, der prominenteste Befürworter des EU-Austritts, es im Frühstücksfernsehen mit sanfter Stimme und dem ihm typischen Froschlächeln einfach mal über Bord.

Die Behauptung sei ein Fehler gewesen, mit dem er selbst nichts zu tun habe. Er habe "wie immer" sein "eigenes Ding gemacht". Von Beginn seiner politischen Laufbahn an inszenierte sich der Mitbegründer und Chef der rechtspopulistischen UK Independence Party (Ukip) als Mann, der sich um die Meinung anderer nicht schert. Und ebenso lange kennt der politische Kampf des 52-jährigen Familienvaters, der in zweiter Ehe mit einer Deutschen verheiratet ist, ein Hauptziel: das "gescheiterte Projekt EU" zu Fall zu bringen – am liebsten mit scharfem Witz und rhetorischer Aggressivität, die er aber in süffisantem, ruhigem Tonfall vorträgt. Sein Ausfall, in dem er den damaligen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy als "feuchten Lappen" verhöhnte, wurde zum Internet-Hit. Für seine Präsenz in den Social Media zeigt Farage ein ebenso gutes Gespür wie für den Besuch im Pub.

Vor 24 Jahren verließ Farage die Konservative Partei, der er während der Schulzeit beigetreten war, da der damalige Premier den Vertrag von Maastricht unterschrieben hatte. Seit 1999 treibt der ehemalige Rohstoffhändler aus der City, der einen Flugzeugabsturz und Hodenkrebs überlebt hat, aus dem EU-Parlament heraus die Londoner Politiker vor sich her.

Nicht zu Unrecht deutet Farage den Brexit zum größten Erfolg seiner Karriere um. Es ist seinem Erfolg zu verdanken, dass die EU-Befürworter im Wahlkampf derart blass aussahen. Ohne die Gefahr durch die Ukip und den Druck aus den eigenen Reihen hätte Cameron die Abstimmung wohl überhaupt erst gar nicht anberaumt. Dass heute das halbe Land über Migranten diskutiert, ist Farages Verdienst. Er war es, der das Thema Zuwanderung zum Kernanliegen der Kampagne erkoren hat. (Anna Giulia Fink, 24.6.2016)