Eine Scheinidylle: Stefanie Dvorak und Stefan Gorski.

Foto: Dimov
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Reichenau an der Rax – Liebe ist ein kannibalischer Zustand, stellte Tennessee Williams fest. Wir beißen zu, wie wir es brauchen. Der Südstaatenautor legte dieses Kalkül in Beziehungen offen. In Die Katze auf dem heißen Blechdach wächst die Gewalt aus einer unzulässigen Zuneigung (Bricks und Skinners vermutlich schwule Liebe) sowie aus verlogener Herzenswärme gegenüber den Erblassern: Big Daddy (heißblütig-harsch: Martin Schwab) und Big Mama (triumphal im Sich-Opfern: Therese Affolter) haben eine Baumwollplantage zu übergeben.

Das warme Südstaatenlicht in Beverly Blankenships Inszenierung täuscht nicht darüber hinweg, dass in den Schlafzimmern (Bühne: Peter Loidolt) etwas anderes als Liebe gemacht wird. Vielmehr verhandelt man im Wissen um den baldigen Krebstod des Patrons materielle Begehrlichkeiten. Die beiden Schwiegertöchter ringen um das Erbe: Mae (Elisa Seydel) mit einer Schar zur Schau gestellter Enkelkinder, Maggie (Stefanie Dvorak) mit ihrem anmutigen Kampf um ein Leben in Sicherheit. Ihre Wespentaille markiert das Manko des noch immer unbefruchteten Leibes.

Reihe "Frauenschicksale in der Weltliteratur"

Williams hält damit erstmals Einzug an der Rax. Sein Stück reiht sich ein in die Schiene "Frauenschicksale in der Weltliteratur", die 2017 mit Lady Chatterley fortgesetzt wird. Der Blick in diese harte Südstaatengesellschaft bleibt aber museal. Die 1950er-Jahre werden nachgestellt: patriarchale Beziehungen mit männlichem Befehlston; schwarze Hautfarbe der Hausmädchen; das Pochen auf "saubere Männerfreundschaft". Innerhalb dieser patinierten Oberfläche hat Blankenship auch schöne Ideen: Wie politisch das Geschehen im Schlafzimmer ist, machen bei ihr die gierigen Blicke der Festgesellschaft durch die Jalousien der Verandatüren augenscheinlich.

Sogar der Pfarrer schleicht um das Zimmer, in dem Maggie (grazil: Dvorak) und der in sich gekehrte Brick (zurückhaltend: Stefan Gorski) den Konflikt ihrer Ehe austragen: Brick ist nach dem Selbstmord seines Freundes Skinner, aber auch ob der Verlogenheiten seiner Familie vor Welt- und Selbstekel in Depression versunken. Die Gewalt wird auch körperlich sichtbar: Ständig tun sie einander weh, und das kommt oft etwas kantig daher; auch wirkt das Timing klischeehaft zugespitzt; man hört das Papier, auf dem die Regieanweisungen geschrieben stehen, dann knistern. Dennoch wohlwollender Applaus. (Margarete Affenzeller, 3.7.2016)