Studentenparty zur Zeit des Fin de Siècle: Arthur Schnitzlers "Liebelei" bei den Festspielen Reichenau.

Foto: Dimo Dimov

Reichenau an der Rax – Jahrhundertwende, Wien. Studenten wollen zwischen den Prüfungen Druck abbauen und sich die Zeit mit netten jungen Frauen vertreiben. Ein bisschen keck sein, in der Wohnung picknicken, das Grammofon aufdrehen: Regisseurin Regina Fritsch hat Arthur Schnitzlers Liebelei bei den Festspielen Reichenau um solche Lustbarkeiten erweitert. Vor allem gibt George Bizets Oper Die Perlenfischer den Soundtrack vor, ein das Treuethema traurig besingendes Werk, das wie ein Omen wirkt.

Denn das leichtfertige Lustspiel zweier Studenten begreifen nicht alle Beteiligten bloß als "Liebelei". Christine, ein in Gestalt von Alina Fritsch so glasklar reines, aufrichtiges und in ihrem Gefühlsleben profund erschütterbares Wesen, wird von der Liebe zu Fritz (schön zwiegespalten und rätselhaft: Dominik Raneburger) aus den Angeln gerissen. In der von Peter Loidolt mit Salonflair ausgestatteten Arenabühne des Neuen Spielraums sucht sie in hingebungsvollen Blicken nach Bestätigungen ihres Verehrers, der seinerseits aber – oh Graus – eine geheime Affäre mit einer verheirateten Frau unterhält.

Spannung und Tiefgründigkeit

Der vielgespielte Dreiakter – am Londoner Young Vic Theater 2010 hieß die Fassung von David Harrower bezeichnenderweise Sweet Nothings – entwickelt in Reichenau gehörig Spannung und Tiefgründigkeit. Vor allem kämpft ein hochkonzentriertes Ensemble um die Gültigkeit dieses "Historienstücks" und seiner Konflikte (Duell, Ehrbegriff, Rollenbilder).

Florian Graf gibt den sympathischen, einfach gestrickten, sich fallweise die Haare raufenden Studenten Theodor; aus dem tiefen Wiener Slang ("Müllitääär") schöpft Maria Schuchter ihre latent ordinäre Mizi Schlager; Wolfgang Hübsch wirkt als Weiring erdbebensicher, aber zugleich höchst empfindsam, und sein Dialog mit der Strumpfwirkersgattin (Regina Fritsch als grandiose Bassena-Sirene) gehört zu den Höhepunkten des Abends.

Aus Feinheiten Kraft entwickeln

Regisseurin Fritsch lässt sich einiges, aber zum Glück nicht zu viel einfallen, um das Schauspiel nicht zum bloßen Stehtheater verkommen zu lassen. Aus Feinheiten entwickelt diese Liebelei ihre Kraft: z. B. durch subtile Tongebung (Florian Giessauf) oder Licht (John Lloyd Davies).

Der hochemotional performte Schluss verliert in seinen Steigerungen allerdings ein wenig von der ehrlichen Kraft, die über zwei Stunden aufgebaut wurde. Da wäre weniger mehr gewesen. (Margarete Affenzeller, 4.7.2016)