Jean-Pierre Mustier ist neuer Chef der Bank-Austria-Mutter Unicredit.

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Jean-Pierre Mustier, der 55-jährige französische Investmentbanker, ist wieder mittendrin. Der Verwaltungsrat der Mailänder Großbank Unicredit hat ihn einstimmig zum neuen Chef der Bank-Austria-Mutter ernannt. 40 Tage lang brauchten die Unicredit-Boardmitglieder, um einen Nachfolger für Federico Ghizzoni zu finden. Weder an der Börse, wo Unicredit am Tag nach der Wahl des Vorstandschefs weitere Kurseinbußen verzeichnete, noch in der Politik schien man über die Wahl des französischen Bankers glücklich gewesen zu sein.

Denn bei Mustier, dem ausgebildeten Fallschirmjäger, der keine Risiken scheut, handelt es sich um einen "Banker mit Vergangenheit". Der einstige Chef des Investmentbankings der französischen Großbank Société Générale (SG) stand wegen angeblichen Insiderhandels vor Gericht. Auch wenn er stets seine Unschuld beteuerte, wurde er doch zu einer Strafe von 100.000 Euro verurteilt. Er war auch der Chef des Zockers Jérôme Kerviel, der der Bank Verluste von 4,9 Milliarden Euro einbrockte und jahrelang im Gefängnis saß. Nach seiner etwas stürmischen 22-jährigen Karriere bei SG wechselte Mustier ins Privatleben, widmete sich dem Beratungsgeschäft, engagierte sich bei sozialen Organisationen wie Fairtrade in London und hatte endlich Zeit, sich um seine Frau und seine zwei Söhne zu kümmern – bis er 2011 vom damaligen Unicredit-Präsidenten Dieter Rampl nach Mailand berufen wurde, um das Investmentbanking der Bank zu leiten.

Zweifellos kennt Mustier das Investment-business wie seine Westentasche, Finanzakrobatik und Finanzmathematik beherrscht er ebenso, wie er Derivate richtig einzuschätzen weiß. Auch kennt er nach vier Jahren den Unicredit-Konzern in- und auswendig. Aber Kritiker meinen, Unicredit brauchte jetzt eher einen Retail- statt einen Investmentbanker an der Spitze. Zudem spricht der neue Chef kein Italienisch.

Der Franzose steht vor keiner einfachen Aufgabe: Er soll eine Kapitalerhöhung aufstellen, möglicherweise Vermögenswerte verkaufen und die Rentabilität erhöhen. Im Klartext heißt dies: Unicredit steht vor einer neuen Rosskur. Auch wenn Mustier Erfahrung im Krisenmanagement hat: Bei der Bank-Austria-Mutter dürfte es nicht ohne weiteres Köpferollen gehen – weder in Wien noch in Mailand. Diesbezüglich hat der äußerst höflich auftretende Bankchef bereits energisch Bedingungen gestellt: Das Management müsse erneuert werden. (Thesy Kness-Bastaroli, 5.7.2016)