Beim "S-House" wird – unter anderem durch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe – der Energie- und Ressourcenverbrauch auf maximal ein Zehntel im Vergleich zum heutigen Stand der Technik reduziert.

Foto: grat

Die Strohsiedlung in Böheimkirchen soll 2018 fertiggestellt werden.

Visualisierung: Architekten Schleicher

Vorbildlicher geht es fast nicht. Bei Planung und Bau des so genannten "S-House" in Böheimkirchen wurde alles richtig gemacht: Passivhaustechnologie, minimaler Einsatz fossiler und mineralischer Materialien, Wände und Verputz aus den nachwachsenden Rohstoffen Stroh und Lehm. Das Ergebnis: ein reduzierter Energie- und Ressourcenverbrauch auf ein Zehntel im Vergleich zu anderen Techniken im Hausbau.

Seit dem Jahr 2006 steht dieses Vorzeigeprojekt der "Gruppe Angepasste Technologie" (GrAT) der TU Wien nun in Niederösterreich. Vor fünf Jahren hat Geschäftsführer Robert Wimmer in einem Interview mit dem STANDARD erzählt, dass in Österreich zum damaligen Zeitpunkt 40 bis 50 Häuser in Strohbauweise fertiggestellt oder in Bau waren.

Heute seien es mehrere Hundert, sagt Wimmer nun. "Die Entwicklung verläuft exponentiell, kaum eine andere Technologie verzeichnet solch hohe Wachstumszahlen." Mittlerweile gebe es auch mehrere Firmen, die sich auf diese Art zu bauen spezialisiert hätten, so der Geschäftsführer der GrAT.

"Dabei bleibt es nicht beim Baustoff", sagt Wimmer, "die Energieautonomie der Häuser geht viel weiter." Derzeit arbeitet die GrAT an einem großen Projekt, das sich mit dem ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes beschäftigt. "Diese Häuser sind CO2-neutral oder sogar -positiv, das alles ist mit nachwachsenden Rohstoffen sehr gut möglich", so Wimmer.

Stroh soll "normal" werden

Das Ziel der Gruppe ist es, die Strohbauweise als ganz "normale Art des Hausbaus" zu verankern. Derzeit habe man den Siedlungsbau im Auge. "Leider laufen in diesem Bereich, besonders im ländlichen Raum, die Entwicklungen sehr träge und die Menschen haben viele Hemmungen", sagt Wimmer. Deshalb brauche es Beispiele, die man sich anschauen kann und die nachweislich funktionieren.

Deshalb plant die GrAT im Zuge des EU-Projekts Life Cycle Habitation in direkter Nachbarschaft zum "S-House" eine Wohnsiedlung, die 2018 fertiggestellt sein soll. In der Siedlung werden Häuser mit unterschiedlichen Bauweisen errichtet, um im Anschluss die Technologien vergleichen zu können – etwa auf ihre Lebenszyklusbilanz, erklärt Wimmer. Unterschieden wird dabei zwischen einer lasttragenden Bauweise ("Nebraska-Stil"), bei der die Strohballen wie Ziegel aufeinander gesetzt und dann verputzt werden, und der sogenannten "Holzständerkonstruktion", bei der die statische Funktion von einem Holzgerüst übernommen wird und die Strohballen nur noch dämmende Funktion haben.

Probebewohner gesucht

Wer kooperativ mit der GrAT zusammenarbeiten und an einem Monitoringprozess teilnehmen möchte, kann sich für die Zeit nach der Fertigstellung als Probebewohner für die neue, nachhaltige Siedlung melden.

Vorurteile zum Bauen mit Stroh gab es vor fünf Jahren noch zuhauf. "Brennt sicher gut", schreibt etwa ein User 2006 unter einen Standard -Artikel über das "S-House" in Böheimkirchen. Mittlerweile habe man mit solchen Falschinformationen aufräumen können, sagt Wimmer. "Das Bewusstsein für den Baustoff Stroh ist in den letzten Jahren stark gestiegen." 6000 Besucher aus 53 Ländern hätten das "S-House" seit seiner Errichtung besucht. "In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich da viel geändert."

Strohwände bieten im Übrigen einen sehr guten Brandwiderstand, weil die Ballen mit einem Druck von 120 kg/m² gepresst werden. Die fehlenden Luftzwischenräume schützen das Stroh vor dem Brennen.

Nachhaltig in allen Ländern

Neben dem Bauen mit Stroh, beschäftigt sich die GrAT auch mit anderen Baustoffen und dem nachhaltigen Hausbau in anderen Weltregionen. "Auf den Philippinen versuchen wir ähnliche ökologische und nachhaltige Häuser zu errichten. Der Grundgedanke bleibt dabei gleich: Wir nutzen lokales Know-how und vorhandene Ressourcen. Die Gebäude sind energieautark, das Abwasser wird vor Ort entsorgt", erklärt Wimmer.

Demnächst soll in Nepal ein ähnliches Projekt realisiert werden. "Wir werden auch dort ein Objekt nach unserem Konzept bauen und dann der Regierung vorschlagen, es für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben zu übernehmen." (Bernadette Redl, 10.7.2016)