Alles beginnt mit einem "Wunschkonzert", wie die Architekten aus dem Münchner Büro Maio und Maio es nennen: Dem Vermitteln von abstrakten sowie konkreten Bildern, die die Bauherren im Kopf haben: ihren Vorstellungen und Wünschen also, wie sie wohnen wollen.

Dieser Prozess und all die Schritte, die dann noch folgen, werden im vor kurzem erschienenen "Grundrissatlas Einfamilienhaus" verdeutlicht.

Im Bild: Drei Varianten wurden bei der Planung dieses Hauses in Oberbayern von Maio & Maio Architekten angedacht. Am Ende wurde es ein winkelförmiges Haus aus Sichtbeton.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

50 Architekturbüros aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol wurden dafür befragt. Dabei ging es nicht nur um die – spektakulär anzusehenden – fertigen Häuser.

Gefragt waren auch Grundrisspläne – und, am wichtigsten: unterschiedliche Varianten und Vorentwürfe, um den Entstehungsprozess der Häuser nachvollziehbar zu machen.

Im Bild: Bei Thomé-Architekten nahm man sich eines Gebäudekomplexes rund um ein leerstehendes Fachwerkshaus und eine durch einen Brand zerstörte Scheune an und ersann daraus einen Zweiseithof.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Indem auch verworfene und stark abgeänderte erste Entwürfe präsentiert werden, werde der Beweis erbracht, dass sich der perfekte Grundriss eben nicht aus dem Ärmel schütteln lässt, heißt es dazu im Buch.

Im Bild: Ein im deutschen Nienstädt entstandener Anbau an einen Bungalow. Für die Fassadengestaltung ließ sich der Architekt Matti Schmalohr von den Werken von Eduardo Chillida inspirieren.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Das Thema dürfte interessieren: Der Grundriss habe in den letzten Jahren einen Wandel erlebt, meinen die Autoren, denn auch der normale Häuslbauer befasse sich heute damit.

Und zum Immobilieninserat gehört der Plan des Grundrisses heute ohnehin dazu – auch wenn dieser mit Vorsicht zu genießen sei: "Man kann damit verführen – und täuschen."

Im Bild: Ein Wohnhaus aus den 1970er-Jahren mit einer Aufstockung von Buchner Bründler AG Architekten im schweizerischen Meilen.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Besonders interessant sind die individuellen Hintergrundgeschichten zu den einzelnen Häusern – etwa dazu, wie Bauherr und Architekt miteinander ausgekommen sind und wie es zu den entscheidenden Inspirationen gekommen ist.

Nur so viel sei verraten: Auch der Mercedes des Bauherren kann das Aussehen des künftigen Hauses beeinflussen. Und Alkohol scheint immer wieder eine wichtige Rolle bei der Vertragsanbahnung zwischen Architekten und Bauherren zu spielen.

Im Bild: Ein Kleingartenhaus bei Wien. Laut den Planern von Juri Troy Architects sollte der Bau zurückhaltend reduziert wirken.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Spannend ist auch die unterschiedliche Herangehensweise der Bauherren an ihr großes Projekt: Die einen überreichen dem Architekten 100 selbstgeschriebene Seiten zum Traumhaus oder eine selbstgemachte Skizze mit einem Grundriss (der aber nicht immer auch so umsetzbar ist). Die anderen sind schon mit dem ersten Entwurf der Architekten glücklich. Wieder andere verlangen eine Planung nach den Grundsätzen von Feng Shui.

Im Bild: Ein Bauprojekt im Garten von Theis Janssen Architekt BDA: Anstelle der Garage entstand ein kleines Haus in Holzständerbauweise.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Was auffällt: Viele der Architekten, die im "Grundrissatlas Einfamilienhaus" vorgestellt werden, haben die Häuser für Familie und Bekannte gebaut oder wurden von den Bauherren über die richtigen Kontakte gefunden.

Dass sich jemand sein Einfamilienhaus von einem Architekten planen lässt, bleibt weiter eine Seltenheit: Für nur zwei bis fünf Prozent der Einfamilienhäuser werden freie Architekten beauftragt, vermuten die Autoren.

Im Bild: Ein Haus in Duisburg von Georg Döring Architekten BDA. Die Bauherren wünschten sich eine Anlehnung an kalifornische Architektur der 1950er-Jahre.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Ein Teil des Buches ist überhaupt Häusern gewidmet, bei denen Architekt und Bauherr in einer Person vereint waren. Kleine Häuser unter 150 Quadratmeter werden ebenso präsentiert wie Erweiterungen von Bestandsbauten.

Im Bild: Ein Sichtbetonbau mit Blick auf Linz von Caspar Wichert Architektur.

Foto: Matzig/Bachmann, Grundriss-Atlas Einfamilienhaus, Callwey 2016

Das Resümee der Autoren: Der "Grundrissatlas Einfamilienhaus" stelle unter Beweis, dass es sich lohnt, Zeit und Geduld in den Entwurf zu stecken. (zof, 29.7.2016)

Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann
Grundrissatlas Einfamilienhaus
Callwey, 2016
240 Seiten, 72 Euro

Nachlese

Wie Wohnen auf wenig Raum funktioniert

Klitzekleines Wohnen: Familie auf 21 Quadratmetern

Callwey