Wie ist er, was kann er? Personaler nehmen Name und Foto als Anhaltspunkte, zeigt eine neue Studie der Universität Graz. Ihrzufolge würden sich Bewerber und Bewerberinnen anonymisierte Bewerbungsverfahren wünschen.

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Anonyme Bewerbungen sind ein erstes wichtiges Mittel gegen Diskriminierung, sagen Experten.

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Eine Nigerianerin muss sich nachweislich doppelt so oft für eine Position bewerben, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch kommt. Etwas besser ergeht es Chinesen, Türken und Serben. Am höchsten bleibt aber immer der Rücklauf für die Österreicher.

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Anonymisierte Bewerbungsunterlagen sind im angloamerikanischen Raum und in skandinavischen Ländern mittlerweile gang und gebe. Sie erhalten keine personenbezogenen Daten, wie etwa Geschlecht, Alter, Herkunft, religiöse Einstellung, auch kein aussagekräftiges Bewerbungsfoto. In Deutschland experimentieren große, internationale Betriebe mit dieser Art des Bewerbungsverfahrens, in Österreich ist es noch weitgehend unbekannt.

Der Vorteil für Bewerber: Alle werden in der ersten Stufe des Verfahrens gleichbehandelt. Tatsächlich muss sich etwa eine Nigerianerin doppelt so oft für eine Position bewerben, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch kommt, wie eine Österreicherin. Das zeigte eine Studie der Universität Linz, im Auftrag des Sozialministeriums.

So denken Unternehmen

Wie Arbeitgeber in Österreich anonyme Bewerbungen sehen, untersuchten nun Soziologie-Studierende der Karl-Franzens-Universität Graz. Sie befragten dazu 24 steirische Klein- und Mittelbetriebe. "Wir konnten erkennen, dass Arbeitgeber den persönlichen Bezug zu Bewerbern schätzen und am konventionellen Lebenslauf festhalten", sagt Johanna Muckenhuber, leitende Professorin, über das Ergebnis der Studie.

Besonders den Namen und das Foto halten die Personalverantwortlichen in den Firmen für unverzichtbar, um einen Eindruck von der Persönlichkeit eines Bewerbers zu bekommen. Weiters gaben die Unternehmen an, dass die Einführung eines anonymisierten Verfahrens aufgrund des Aufwandes hohe Kosten mit sich brächte – zugleich aber eine mögliche Diskriminierung hingegen nicht verhindert. Sie werde nämlich nur in das persönliche Gespräch verlagert.

Mangelndes Problembewusstsein

Schließlich zeigt die Studie auch ein trauriges Bild vom Bewusstsein in Betrieben. "Personalverantwortliche nehmen, wie wir herausfinden konnten, Diskriminierung nicht als Problem wahr und erkennen keinen Handlungsbedarf", sagt Muckenhuber. Teilweise, so die Soziologin, sei daher auch kein Interesse vorhanden, neue Formen des Bewerbungsverfahrens auszuprobieren – geschweige denn zu implementieren.

Schließlich wurden auch steirische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für die Studie befragt. Diese, zeigte sich, wünschen sich eigentlich diese anonymisierte Vorauswahl – wissen jedoch, dass sie bei Arbeitgebern unbeliebt ist.

Laut Experten sehr wohl wichtig

Auch Experten können anonymen Verfahren einiges abgewinnen – so hält sie Gernot Mitter, Experte für Arbeitsmarktpolitik in der Arbeiterkammer, für einen ersten wichtigen Schritt gegen Diskriminierung. Menschen dürften in der ersten Vorauswahl nicht deswegen gleich aussortiert werden, weil ihr Name auf "ics" endet oder ihre Hautfarbe dunkler ist.

Aber auch sie räumen ein, dass eigentliche Diskriminierung in den Interviews stattfindet. Wie eine Untersuchung von Andreas Schadauer für den Verein Zara darlegt, kommt es darin zu Ablehnung bis Beleidigungen. Die Folgen für den Bewerber: Motivationsverlust, mindere Einschätzung der eigenen Chancen am Arbeitsmarkt und das Selbstbild als "Problemfall".

Mögliche Maßnahmen

Soziologin Muckenhuber sieht Schulungen für Personalverantwortliche als Maßnahme, um Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen. Zudem gelte es, Unternehmen die weiteren Vorteile anonymer Bewerbung schmackhaft zu machen, sagt sie zum STANDARD. "Zum Beispiel, dass anonyme Bewerbungen dazu beitragen können, die besten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden." (lib, 13.7.2016)