Gemeinsam backen und erleben statt in den letzten Lebensjahren allein in Armut sitzen: Jung und Alt in der "Vollpension" – jetzt mit Fixstandort in Wien.

Foto: Vollepension

Für immer ausgeschlossen, kein anderer Weg? Nicht in der Gabarage in Wien, die mit allerlei Materialien allerlei Neues und Designiges upcycelt.

Foto: Gabarage

Melanie Ruff baut aus alten Snowboards neue "Ruffboards" für die Straße – mit ehemaligen Häftlingen. Mittlerweile ein Must-have für Boarder.

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Bei den Wochenend-Workshops zum Businessplan: Es geht nicht nur um Zahlenwerke, auch um Spaß. Philipp Bodzenta (Coca-Cola) mit Karin Bauer (STANDARD).

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Preisträgerin Sonja Mitsche: Startete mit Frauen und PC-Kursen zum Fußfassen in der Arbeitswelt, arbeitet jetzt in Kärnten mit allen Generationen.

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Olivia Rauscher (NPO-Institut, WU): Auch klassisches Business muss sozialer werden, nicht nur Soziale sollen "mehr Business" machen.

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Zum zehnten Geburtstag hat sich "Ideen gegen Armut" jetzt in "Get active" umbenannt.

Foto: Get active

Es gibt keine Almosen. Es gibt keine Spenden. Und es gibt keine Gala in der Hofburg und auch kein Blitzlichtgewitter in einem imperialen Palais. Sondern es gibt seit zehn Jahren jährlich rund 80.000 Euro Startgeld für unternehmerische Ideen, die Armut verhindern, Ausgegrenzten Chancen bieten und soziale Innovation in die Welt bringen. Heuer sind es sogar 87.000 Euro. Das ist immer Social Venture Capital, es wird also keine Rückzahlung erwartet. Und es kann noch bis Ende Juli eingereicht werden.

Die Bilanz der Initiative bis jetzt lässt sich sehen und hat auf viele, die etwas bewegen wollen, wie ein Magnet gewirkt: Einige Dutzend Menschen mit Anliegen haben bei "Ideen gegen Armut" mitgemacht, ihre Anliegen gemeinsam mit dem Unterstützerteam in Businesspläne gegossen und so ihr Sozialunternehmen aufgebaut und die Gesellschaft bereichert.

Erfolgsgeschichten

Klar haben nicht alle gewonnen – manchmal sind Finalisten nach den Workshops beim Ausbau ihrer Ideen allerdings noch schneller in die Gänge gekommen als offizielle Gewinner. Ali Mahlodjis Whatchado ist so ein Beispiel. Jenes Portal, das entmutigten und orientierungslosen Jungen authentisch mittels Interviews mit Professionals Berufsbilder und Lebenswege aufzeigt.

Mahlodji wusste von Anfang an, was er will und tut und vor allem welche Wege ihn dorthin führen, ist der Perser doch als Geflüchteter über Traiskirchen durch fast 40 Jobs zu seinem Whatchado gekommen, in das mittlerweile eine Reihe von Wirtschaftsgrößen investiert hat und das international mit mehr als 30 Fixangestellten als Vorzeige-Start-up herumgereicht wird.

Zum Jubiläum neuer Name

Vor zehn Jahren, als "Ideen gegen Armut" von Coca-Cola, dem Kompetenzzentrum für Nonprofit- und Social Entrepreneurship und dem STANDARD ins Leben gerufen wurde, war das ein Pionierprojekt. Galt doch überwiegend noch: Die einen machen Profit und spenden dann ein wenig, die anderen machen was Soziales und keinen Profit und raufen um die Spenden. Aber mit betriebswirtschaftlichem Herangehen Soziales tun, hä? Sich selbst finanzieren und die Profite reinvestieren? "Gut" und "Markt" in einem Unternehmenskonzept?

Mittlerweile ist das kein Thema mehr – und das neue Gemeinnützigkeitspaket der Regierung soll solchem Social Business weiteren (Geld-)Schub verleihen.

Zum zehnten Geburtstag hat sich "Ideen gegen Armut" jetzt in "Get active" umbenannt. Die Dynamik der Mitwirkenden und Gründerinnen drückt sich so besser aus. "Es hat sich so schnell weiterentwickelt, von der Hilfe für junge Eltern in schwierigen Situationen über finanzielle Aufklärung von konsumwütigen Youngstern bis zu Fußball als Inklusions- und Integrationsträger", sagt Philipp Bodzenta, Coca-Cola-Kommunikationschef und Vertreter der Geldgeber.

Lieblingsprojekte?

Der Konzern wurde seitens des traditionellen Sozialbereichs zunächst auch etwas scheel beäugt: Was will dieser Multi damit? "Ja, Coca-Cola ist nur eine wohlschmeckende Limonade. Aber sie steht für eine positive Lebenseinstellung – auch wenn nicht immer alles perfekt ist, das Glas ist zumindest halbvoll", erklärt Bodzenta, warum "Get active" zu Coca-Cola passt. Mit diesem Projekt in Österreich dockt er im Konzern an das Programm "5by20" an, das Frauen ins Unternehmertum verhelfen will.

Ob er Lieblingsprojekte hat? Schwer zu sagen, aber dass "4everyoung" von Siegerin Sonja Mitsche aus Kärnten, das Benachteiligten den Wiedereinstieg in einen Arbeitsprozess und damit in ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, auf seiner Favoritenliste steht, ist zu merken. Alles rund um Fußball gehört da auch dazu, etwa das Projekt "Goal on Tour", ein Derivat des internationalen "Homeless World Cup".

Fördern – und beraten

Von Anfang an wollten die Projektpartner sich nicht einreihen in die Bühnenshows und Award-Szenerie, sondern etwas nachhaltig ermöglichen und die Projekte langfristig begleiten: Nicht nur Gewinner küren, sondern mit Finalisten arbeiten, die Ideen weiterentwickeln, ihnen alles an Rechts-, Gründungs- und Kommunikationsberatung zur Seite stellen, was möglich ist.

Das passiert gebündelt immer an einem Wochenende Ende August in Stegersbach, an dem ein Raum voll Experten aus allen unternehmerisch relevanten Bereichen zusammenkommt und pro bono berät und mit den Finalisten reflektiert. Wobei sich auch schon Projektideen zusammengeschlossen haben und die nötige Kraft fürs Durchhalten und Weiterentwickeln gewachsen ist.

Die harten Verbindungsbrücken zu Investoren werden dort ebenso geknüpft: Olivia Rauscher, Fachfrau der WU für Bewertungsfragen sozialer Unternehmen, kann genau erklären, welche Kennzahlen Investoren verwenden und wie man diese darstellt.

Auch kritischer Diskurs

Dabei geht es nicht darum, mit Marktmechanismen alle Probleme zu lösen und dabei keine moralischen Grenzen zu sehen. Sondern es geht immer auch um den kritischen Diskurs, die Wirkung im gemeinsamen Ganzen, um das Hinsehen auf den Grat zwischen Gut und Ware.

Rauscher spricht von mittlerweile über 1000 Organisationen, die in Österreich als Social Business bezeichnet werden können. Klarer Vorteil: geringe oder keine Abhängigkeit von volatilem Spendenaufkommen. Risiken: Das Austarieren sozialer und finanzieller Ziele ist eine permanente Herausforderung.

Wird die Mission irgendwann vernachlässigt, weil die Finanzen es gebieten? Und überhaupt: Was ist mit sozialer Innovation, die keine direkten "Kunden" hat, sondern an Bewusstseinsbildung arbeitet? Rauscher: "Es wäre nur bedingt gut, wenn der Diskurs um Social Business nur dazu führt, dass Sozialorganisationen mehr Business betreiben und nicht zugleich auch klassisches Business sozialer wird." Auch das ist eine erwünschte Nebenwirkung von "Get active" im gemeinsamen Ganzen. (Karin Bauer, 19.7.2016)