Liu Jia spielt Tischtennis und das ziemlich gut.

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"Ich hätte auch Obi heißen können", sagte Liu Jia (34), die seit bald 20 Jahren Susi gerufen wird, einmal dem STANDARD. Den Spitznamen gab der Tischtennisspielerin die Mutter einer Freundin aus Oberösterreich. Der schien das passend, oder ihr war der tatsächliche Name der Sportlerin, die da gerade vom angebotenen Apfelsaft der Marke Susi trank, nur zu schwer zu merken.

Natürlich als Liu Jia und unbestritten als Würdigste des Aufgebots wird Susi mit großem Stolz Österreichs Fahne am 5. August bei der Eröffnung der Olympischen Spiele zu Rio de Janeiro ins legendäre Maracanã-Stadion tragen. Es werden die fünften Spiele für Liu, deren Vorname Jia mit "das Beste" zu übersetzen wäre.

Die beste Österreicherin im Tischtennis ist sie seit ihrer Einbürgerung. Selbst in China galt die in Peking geborene Liu als Ausnahmetalent an der Platte. Ihr Vater hatte sie aus Sorge um ihre körperliche Verfassung zum Tischtennis gebracht, doch erst in Österreich, sagt Liu, lernte sie den Sport wirklich zu lieben. Der auf ihr lastende Leistungsdruck und Lockungen durch ihren späteren Trainer Liu Yan Jun brachten die damals gerade 15-Jährige nach Linz, wo sie beim Klub TTC Linz AG Froschberg anheuerte. An ihrem 16. Geburtstag, am 16. Februar 1998, erhielt sie im Interesse der Sportnation Österreich die Staatsbürgerschaft verliehen. Mehrere Jugend-EM-Titel später schmückte Liu 2000 und in Sydney erstmals Olympische Spiele. In der Weltrangliste stieß die 1,61 Meter hohe und 47 Kilogramm schwere Linkshänderin bis auf Platz neun vor, 2005 gewann die Heeressportlerin nach monatelanger Pause wegen einer die Karriere gefährdenden Schulterverletzung in Aarhus EM-Gold.

Liu, mit dem dänischen Tischtennisspieler David Arvidsson verheiratet und Mutter einer (ab 17. Juli) fünfjährigen Tochter namens Anna, denkt manchmal, "dass ich mit meinen chinesischen Wurzeln eine Bereicherung für Österreich bin. Dank der österreichischen Kultur bin ich aber auch eine Bereicherung für China." Gegenwärtig rangiert Liu in der Weltrangliste auf Rang 27. Für Olympia, wo es im Einzel bisher noch nie recht klappen wollte, hat sich die "Mutter für das Team" (ÖOC-Präsident Karl Stoss) ein Ziel gesetzt, "das ich aber nicht nennen werde, um mir keinen Druck zu machen". Die Vorstellung, etwas zu erreichen, sei jedoch ohnehin schöner als die Tatsache, es erreicht zu haben, findet Fahnenträgerin Liu. (Sigi Lützow, 15.7.2016)