Der gescheiterte Putsch und die von Recep Tayyip Erdoğan ergriffenen "Säuberungen" im Militär- und Justizapparat führten am Wochenende zu einem ernsten Konflikt der Türkei mit den USA, der Nato und den Bündnispartnern in Europa. Der Präsident hatte nicht nur seinen langjährigen Widersacher, den islamischen Prediger Fethullah Gülen, als Drahtzieher des versuchten Umsturzes ausgemacht. Er verdächtigte auch die US-Regierung, den Putsch angezettelt zu haben, und forderte die Auslieferung Gülens, der in den USA lebt.
Gleichzeitig ließ die türkische Regierung den Militärstützpunkt Incirlik isolieren, der für die USA und die Nato-Bündnispartner große strategische Bedeutung hat. Von dort aus werden Angriffe auf das islamistische Netzwerk IS in Syrien und dem Irak geflogen. Sie wurden zwischenzeitlich ausgesetzt. Die Behörden schalteten den Strom ab, Soldaten durften den Stützpunkt nicht betreten oder verlassen. Am Sonntagabend wurde Incirlik dann aber wieder geöffnet.
"Völlig falsch"
US-Außenminister John Kerry wies das Vorgehen und die Anschuldigungen Erdoğans "als völlig falsch und schädlich für die bilateralen Beziehungen" zurück. Präsident Barack Obama forderte den türkischen Präsidenten persönlich auf, Fakten auf den Tisch zu legen.
Diese diplomatische Kontroverse war umso erstaunlicher, als es in der Nacht auf Samstag Obama war, der als erster Staatschef überhaupt auf den Putsch reagierte und diesen verurteilte, indem er alle Parteien in der Türkei dazu aufrief, "die demokratisch gewählte Regierung und den Rechtsstaat zu respektieren". Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte gleich nach Obama ähnlich reagiert, nur drei Stunden nach Beginn des Aufstands, als noch nicht einmal klar war, wo Erdoğan sich aufhielt.
Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung
Nach und nach schlossen sich die EU-Staaten dem an. In einer Erklärung der Präsidenten der EU-Institutionen beim Asem-Gipfel in Ulan-Bator wurden die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung sowie Respekt vor den demokratischen Institutionen verlangt.
Am Sonntag zeigten sich die Regierungen in den EU-Hauptstädten dann "erleichtert", wie Italiens Premier Matteo Renzi sagte. Ob der EU-Türkei-Pakt zur Migration und die Beitrittsverhandlungen ungestört weiterlaufen, muss sich zeigen. Die EU-Außenminister beraten mit Kerry am Montag in Brüssel. (Thomas Mayer aus Brüssel, 17.7.2016)