Alleinerziehende fühlen sich oft alleine. Und auch von der Politik alleingelassen.

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Autorin Christine Finke erzählt in ihrem Buch aus dem Leben von Alleinerziehenden, gibt Tipps und stellt Forderungen.

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Christine Finke
Allein, alleiner, alleinerziehend

Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt
Bastei Lübbe 2016
239 Seiten, 15,50 Euro

Alleinerziehende befinden sich nicht nur am Rande der Belastbarkeit, sie werden auch von der Politik ins gesellschaftliche Abseits gedrängt, schreibt Christine Finke. Die Bloggerin ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. In ihrem heuer erschienenen Buch "Allein, alleiner, alleinerziehend. Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt" erzählt sie über ihre eigenen Erfahrungen und setzt diese mit der Situation vieler anderer alleinerziehender Frauen in Zusammenhang.

Stigmatisiert und unsichtbar

Kaum jemand sucht es sich aus, alleinerziehend zu sein. Denn: Diese Familienform bedeutet nicht nur sehr viel Arbeit, Alleinerziehende sind auch überproportional stark von Armut betroffen – Altersarmut inklusive, sagt Finke. Die Autorin weiß, wovon sie spricht: Seit sieben Jahren bestreitet sie ihren Alltag als berufstätige alleinerziehende Mutter in Deutschland. Ihre Kinder sind heute sechzehn, zehn und sieben Jahre alt.

Auf die dummen Sprüche und schiefen Blicke, die sie erntete, als sie sich nach mehr als zehn Ehejahren von ihrem Mann trennte, war sie damals nicht gefasst. Auch nicht auf die gesellschaftliche Ausgrenzung als Alleinerziehende und das Gefühl, von der Politik übersehen und alleingelassen zu sein. Um ihre Erlebnisse zu verarbeiten, richtete sie 2011 den Alleinerziehenden-Blog "Mama arbeitet" ein.

90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen

Mit ihren Problemen ist sie nicht allein. In Deutschland leben 1,6 Millionen alleinerziehende Mütter, in Österreich sind es rund 252.000. Für alleinerziehende Männern hegt die Autorin allein schon aus Solidarität große Sympathien, aber ihr Fokus liegt auf der spezifischen Abwertung und Stigmatisierung, die alleinerziehende Mütter erfahren. Denn sie bilden die Mehrheit: Neunzig Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind weiblich.

Zu den Hauptsorgen vieler dieser Mütter zählt die finanzielle Not. Im Kapitel "Am Ende des Geldes ist noch so viel Monat übrig" beschreibt Finke das eindrücklich und benennt die strukturelle Benachteiligung, die System hat. Zwar geht es hier im Detail um Diskriminierungen und steuerliche Benachteiligungen, die Frauen in Deutschland betreffen – aber das Grundmuster der Benachteiligung sowie die fehlende Anerkennung und Burn-out-Gefährdung lassen sich auch auf die Situation von Frauen in Österreich übertragen.

Am Ende des Lebens die Altersarmut

Alleinerziehende Frauen haben wenig Zeit – für sich, für ihre Freunde und Freundinnen, neue Partner und Partnerinnen, aber auch um zu arbeiten. Und darin sieht Finke einen Knackpunkt: "Der Grund, warum weibliche Alleinerziehende so häufig in Armut leben oder von Armut bedroht sind, ist ihre vermeintliche oder tatsächlich vorhandene mangelnde Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt." Natürlich hat das auch mit leistbarer Kinderbetreuung vor Ort zu tun. Denn von privater Betreuung können viele nur träumen. Und die real existierende Lohnschere zwischen Frauen und Männern schlägt hier ebenso zu Buche. Schon jetzt gilt: Altersarmut ist weiblich. Sie ist logische Konsequenz für Alleinerziehende, schreibt Finke. Es sei also höchste Zeit, die Rahmenbedingungen zu ändern.

Wirklich beschämend findet die Autorin, was die prekären Verhältnisse, in denen viele Ein-Eltern-Familien leben müssen, mit Kinderseelen machen. Hier zitiert sie Studienergebnisse der kindsbezogenen Armutsforschung und zeigt, wie Kinder von Alleinerziehenden in die Armut gedrängt werden.

Appell an die Politik

Christine Finke hat in ihrem Leben schon viel Unterschiedliches ausprobiert. Bevor sie ihre Kinder in die Welt setzte, reiste sie um die Welt und jobbte als DJane. Sie ist promovierte Anglistin, freie Journalistin und Kinderbuchtexterin. Seit zwei Jahren setzt sie sich als Stadträtin in Konstanz für Kinder und Familienfreundlichkeit ein – für eine unabhängige Wählervereinigung. Auch mit ihrem Blog erreicht sie täglich mehrere tausend Leser und Leserinnen.

Alleinerziehend zu sein ist für Finke keine Privatangelegenheit. Mit ihrem Buch tritt sie gegen die Ungerechtigkeiten auf, mit denen Alleinerziehende meistens allein konfrontiert sind, und richtet sich an die Politik: Sie solle endlich steuerliche Benachteiligung aufheben und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und dem Alleinerziehen sorgen. Aber auch die Gesellschaft sei gefordert, alleinerziehenden Frauen mit der gleichen Wertschätzung zu begegnen, die alleinerziehende Männer laut Studien ganz selbstverständlich erfahren. Ein wichtiger Aufschrei. (Christine Tragler, 20.7.2016)