Home-Office hat nicht nur Vorteile.

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Das Arbeiten von einem Home-Office wird immer beliebter: Berufliches und Privates lässt sich so oft besser koordinieren, darüber hinaus "erspart" man sich die Anfahrt zum Arbeitsplatz. Neben diesem Vorteil kann das Arbeiten von zu Hause aus aber auch mit Nachteilen bzw. offenen Fragen verbunden sein. Wie ist beispielsweise ein Unfall, der sich in den eigenen vier Wänden während der Arbeitszeit auf dem Weg von der Küche zum "Arbeitsplatz" im Home-Office ereignet, einzuordnen? Als privater Unfall oder Arbeitsunfall?

Jüngster Fall in Deutschland

Genau mit diesem Fall hat sich jüngst das Bundessozialgericht in Deutschland beschäftigt. Eine Frau, die nach Absprache mit ihrem Arbeitgeber auch von zu Hause aus arbeiten durfte, kam auf dem Weg zwischen Küche und dem im Dachgeschoss gelegenen Home-Office Arbeitsplatz auf der Treppe zu Sturz und brach sich dabei das Bein, als sie sich gerade ein Glas Wasser holen wollte.

Die deutsche Unfallkasse verweigerte der Versicherten gegenüber die Zahlung, da es sich nach Ansicht der Versicherung um keinen Arbeitsunfall handeln würde. Diese Ansicht wurde vom deutschen Bundessozialgericht bestätigt. Der Gang über die häusliche Treppe sei nämlich kein "Betriebsweg", da die Küche und auch der Weg in die Küche nicht zum Arbeitsbereich zählen, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen sind.

Österreichisches Recht

Wie wäre ein derartiger Fall wohl in Österreich wohl zu beurteilen?

Grundsätzlich wird in Österreich die Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten leistungspflichtig. Unter einem Arbeitsunfall versteht man dabei einen Unfall, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung ereignet. Der örtliche und zeitliche Zusammenhang ist gegeben, wenn sich der Unfall am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit ereignet. Ein Paradebeispiel für einen Arbeitsunfall ist der Tischler, der sich beim Zuschneiden von Brettern an der Kreissäge den Finger abschneidet.

Unfall am Weg in die Arbeit

Neben diesen typischen Arbeitsunfällen werden aber auch andere Unfälle dem Arbeitsunfall gleichgestellt. So auch der so genannte "Wegunfall". Dabei handelt es sich um einen Unfall, der sich auf dem Weg von oder zur Arbeitsstätte ereignet und mit der Beschäftigung in Zusammenhang steht. Dabei wird insbesondere der direkte Weg zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte erfasst.

Der Schutz beginnt ab der Außenfront des Wohnhauses und endet beim Rückweg von der Arbeit auch wieder hier. Der Innenbereich des Wohnhauses liegt in der privaten Sphäre des Versicherten. Die private Sphäre ist grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz der Unfallversicherung geschützt.

Unfall am Weg zum Mittagessen

Neben dem typischen Wegunfall, der sich zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz ereignet, sind auch noch Wege zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse vom Versicherungsschutz umfasst. Dazu zählt beispielsweise der Weg während der Mittagspause zu Gaststätten, Kantinen oder Supermärkten, um eine Mahlzeit einzunehmen.

Der Versicherungsschutz für diese Wegstrecke wird damit begründet, dass das Essen und Trinken regelmäßig unaufschiebbare notwendige Handlungen sind, damit der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft erhalten kann. Der Einkauf von Lebensmitteln für Folgetage hingegen, oder die (nicht zwingend notwendige) Fahrt während der Mittagspause zu einem Supermarktparkplatz, um dort die von zu Hause mitgebrachte Jause zu konsumieren, ist dagegen nicht vom Versicherungsschutz erfasst.

Essen-Holen im Homeoffice

Doch wie wird nun dieser "Weg" zur Befriedigung von Bedürfnissen bzw. generell ein Weg innerhalb des Wohnhauses des Arbeitnehmers eingeordnet, wenn er von diesem aus auch seine Arbeitsleistung erbringt?

Grundsätzlich ist ein Unfall, der sich im persönlichen Lebensbereich (der Wohnung bzw. dem Wohnhaus) des Versicherten ereignet, nicht vom Versicherungsschutz aus der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt.

WC im Obergeschoss

Eine Ausnahme kann sich allerdings gerade dann ergeben, wenn der Versicherte in seiner Wohnung einer Arbeitstätigkeit nachgeht. Mit einem derartigen Fall hat sich der Oberste Gerichtshof in Österreich bereits 2007 beschäftigt. In diesem Fall befand sich das Home-Office des Arbeitnehmers im obersten Geschoss des Hauses, das WC hingegen befand sich im dritten Geschoss.

Der Arbeitnehmer suchte während der Arbeitszeit das WC auf, stolperte aber auf dem Rückweg über die Treppe zum Arbeitsplatz und zog sich einen Riss der Achillessehne zu. Der OGH führte in seiner Begründung aus, dass zwar die Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse selbst nicht unter den Versicherungsschutz fällt, der Weg dorthin oder von dort allerdings unter Umständen und im Einzelfall einem Arbeitsunfall gleichgestellt werden kann.

Relevante Details

Für diese Beurteilung kommt es darauf an, ob sich der Unfall in einem rein persönlichen Bereich des Hauses ereignete, oder ob dieser rein persönliche Bereich bereits verlassen wurde und schon ein Teil des Hauses betreten wurde, welcher wesentlich betrieblichen Zwecken dient.

Im vorliegenden Fall wurde ein Versicherungsschutz aus der Unfallversicherung bejaht, da die Treppe, auf der sich der Unfall ereignete, nicht zu den Teilen des Wohnhauses zählte, welche ausschließlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten hinzuzurechnen waren. Der Arbeitnehmer gelangte nämlich nur über die Treppe zu seinem Arbeitsplatz.

Relevante Details

Wendet man diese Rechtsprechung auf den genannten Fall in Deutschland an, so wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit, sofern die Treppe im Wesentlichen dazu benutzt wird, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, aufgrund der Ähnlichkeit zum österreichischen Fall aus 2007 von einem Unfallversicherungsschutz ausgehen können.

Kommt der Versicherte hingegen, während er sich ein Glas Wasser holt, direkt in der Küche oder unmittelbar nach der Treppe (schon im Wohnbereich) zum Sturz, so wird dieser Unfall mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht durch den Versicherungsschutz gedeckt sein. Wie so oft kommt es aber auch hier immer auf den speziellen Einzelfall an und es besteht ein gewisser Graubereich, in dem es im Ermessen des erkennenden Gerichts liegt, ob sich ein Unfall im Zuge der Tätigkeit im "Home-Office" im ausschließlich privaten Bereich ereignet hat, oder der Arbeit zurechenbar ist. (Stephan Nitzl, 22.7.2016)