Andrej Plenković ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein begeisterter Europäer, dem Nationalismus zu blöd ist.

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Der Nachfolger unterscheidet sich so grundlegend von seinem Vorgänger, dass allein dadurch schon ein frischer Wind durch Kroatien weht. Andrej Plenković ist weltoffen, gebildet, spricht viele Sprachen, ist ein Politiker der Mitte und ein begeisterter Europäer, dem Nationalismus zu blöd ist. Der 46-Jährige wurde vor wenigen Tagen zum Chef der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) gewählt, die in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts abrutschte und von Tomislav Karamarko an den Rand des Ruins getrieben wurde.

Der Mann, der mit einigem Selbstbewusstsein ausgestattet ist, muss jetzt nicht nur die Partei, die überall noch von Karamarkos Kadern durchsetzt ist, neu ausrichten, sondern am 11. September auch die Wahl gewinnen. Ansonsten droht ihm der Aufstand der Fraktion. Plenković ist rhetorisch begabt, er hat die Unterstützung der Parteibasis, dort ist auch Aufbruchstimmung zu spüren. Allerdings hat er keine Hausmacht unter den Funktionären der HDZ. Deshalb gibt es zurzeit rege Aktivitäten, um für den ehemaligen EU-Abgeordneten, auch im kroatischen Parlament, ausreichend Unterstützung sicherzustellen.

Kritische Blicke vom rechten Parteiflügel

Plenković gilt als die saubere Variante von Ivo Sanader, der die Partei ebenfalls von rechts in die Mitte holte und europäisierte. Allerdings wird der Intellektuelle, der die vergangenen Jahre in Brüssel verbrachte, gerade vom rechten Flügel der Partei kritisch beäugt. Wenn er schlau ist, wird er versuchen, diesen zu integrieren, wie das etwa die CSU in Bayern tut. In Kroatien sind das Festhalten am Konstrukt einer ethnischen Identität der Kroaten, der Glaube an den heroischen Freiheitskampf im Krieg 1991–1995 und ein katholischer, bis ins Reaktionäre reichender Konservatismus gerade unter HDZ-Wählern weit verbreitet. Dem kann auch der polyglotte Plenković nicht entkommen.

Plenković ist in Zagreb groß geworden, seine Eltern kommen aber aus Dalmatien, wo die Steine besonders hell und hart, der Glaube besonders streng, die Liebe zum Vaterland und zum Fußballverein ziemlich groß und der Wein ziemlich rot ist. Der Sohn eines Universitätsprofessors für Kommunikation und einer Ärztin gehörte aber nie zur Provinz, sondern immer zur Elite. Das hört man ihm an: Sein Rationalismus und seine Ideologieferne könnten ihm von manchen, die es populistischer und nationaler mögen, verübelt werden. Nicht nur in diesem Sinn ist er seinem sozialdemokratischen Pendant Zoran Milanović ähnlich. Beide sind zudem ehemalige Diplomaten.

EU-begeistert

Plenkovićs Netzwerk ist europäisch, sein ganzes Denken ist europäisch. Er studierte in Zagreb Jus und war schon 20 Jahre vor dem Beitritt Kroatiens ganz auf die EU ausgerichtet. Seine Abschlussarbeit 1993 handelte von den Entscheidungsprozessen in der Gemeinschaft. Bereits während seines Studiums arbeitete er in der EU-Kommission als Dolmetscher und knüpfte Kontakte im Netzwerk der Europäischen Gemeinschaft der Rechtsstudenten.

Er landete schnell im Außenministerium, arbeitete in der kroatischen Botschaft in Brüssel –bis zu jener Zeit, als Kroatien 2005 den Kandidatenstatus bekam. Leute, die ihn gut kennen, sagen, dass er "bis spät in die Nacht arbeitet", "immer gut vorbereitet ist" und "gut zuhören kann". Als Nummer zwei in der Botschaft in Paris fiel er als "gesund ehrgeizig" und als "einer, der Dinge zu Ende bringt", auf. Von 2010 bis 2011 war er Staatssekretär für Europäische Integration. Es war die Zeit von Premierministerin Jadranka Kosor, mit der ihn viel verbindet. Eigentlich sollte er ihr 2011 nachfolgen – doch dann kam Karamarko als Parteichef, und Plenković wurde nach Brüssel abgeschoben.

Rückkehr Kosors möglich

Es wird erwartet, dass der polyglotte Macher Kosor, die von Karamarko und seinen Konsorten aus der Partei hinausmanövriert wurde, wieder auf die eine oder andere Weise zurückholt. Nach all dem, was über ihn gesagt wird, ist auch anzunehmen, dass er bedacht und pragmatisch an seine Ziele herangehen wird. Für die Nachbarstaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina könnte Plenković ein Segen sein, gerade weil er ein Europäer und kein Nationalist ist.

Plenković selbst hätte wohl auch nichts dagegen, mit Milanović eine große Koalition zu bilden. Doch dieser fischt gerade jetzt vor der Wahl auch rechts vom eigenen linken Spektrum. Milanović hat verstanden, dass Plenković auch Wähler ansprechen könnte, denen Milanović zu wenig zielorientiert und zu eitel ist. Das Match von zwei Ebenbürtigen ist eröffnet. Offen bleibt, wer die nationalen Wähler gewinnen kann. Wenn Plenković es nicht schafft, dass die HDZ Teil der nächsten Regierung wird, ist seine innenpolitische Karriere wohl kurz. Das wäre schade für ein Land, das dringend Reformen braucht. Plenković ist verheiratet, hat einen Sohn und spielt gern mit dem Ball – ob im Wasser, auf dem Tennis-, dem Basketball- oder dem Fußballplatz. (Adelheid Wölfl, 25.7.2016)