Raus aus dem Rollstuhl, raus aus der Krankheit: Rehabilitation bringt Kinder zurück in den Alltag.

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Die Tragweite des Problems ist allen klar, deren Kind schon einmal wochenlang im Krankenhaus war – etwa wegen einer Krebserkrankung oder nach einem schweren Unfall. Abgesehen von den immensen Sorgen und der großen psychischen Belastung ändert sich auch der Alltag grundlegend: Die Berufstätigkeit der Eltern muss neu geregelt werden, weil immer jemand im Spital sein muss, die Geschwisterkinder bekommen weniger Aufmerksamkeit, und Glück haben alle, die ein Netzwerk von Familie oder Freunden haben. Im besten Fall wird ein "Betreuungsradl" errichtet, damit das Kind nie alleine sein muss.

Doch dann kommt der Tag der Entlassung. Das heißt: Kinder und Jugendliche brauchen keine akute medizinische Betreuung mehr, können aber auch nicht sofort wieder in ihren Alltag zurückkehren. Nach Unfällen zum Beispiel müssen kleine Patienten erst wieder laufen lernen – ein oft wochenlanger, anstrengender Prozess, für den Kinder aus Österreich bisher nach Deutschland geschickt wurden.

Reha fern von daheim

Was daran das Problem ist? Das gesamte Betreuungsrad der jungen Patienten fällt weg. Freunde und Familie bleiben zu Hause, kommen nicht mehr zu Besuch, wenn die Rehaklinik tausend Kilometer weit weg ist. Die Betreuung übernimmt ein Elternteil, 24 Stunden am Tag. Deshalb waren sich alle Verantwortlichen einig: Auch in Österreich soll es Rehabilitation für Kinder geben. Allein, es scheiterte an Fragen wie: Wo genau sollen diese Zentren in Österreich sein? Wie sollen sie finanziert werden? Wer soll sie errichten, wer betreiben?

Nach jahrelangen Diskussionen stehen die ersten beiden Standorte für Kinder-Rehabilitationszentren in Österreich fest: Sie werden in Gratwein-Straßengel und in Wildbad Einöd, beide in der Steiermark, entstehen, kündigte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger an. Nach dem Sommer sollen auch in anderen Regionen entsprechende Standorte fixiert werden.

Vor rund zwei Jahren haben sich Sozialversicherung und Länder auf die Finanzierung von eigenen Kinder-Rehabilitationszentren geeinigt. Für ganz Österreich wurden 343 Betten für Kinder und Jugendliche – zuzüglich 50 Betten für Angehörige – in vier Versorgungsregionen mit elf Indikationsgruppen definiert.

Mobilisierung beginnt

Nach einem formellen Vergabeverfahren liegen nun die ersten drei Zuschlagsentscheidungen in der Versorgungsregion Süd (Steiermark, Kärnten und südliches Burgenland) vor. In Gratwein-Straßengel wird ein Angebot für mobilisierende Indikationen zur Verfügung stehen. In Wildbad Einöd wird es mit Herz-Kreislauf und Pulmologie-Rehabilitation mit 28 Betten sowie mit psychosozialer Rehabilitation mit 24 Betten gleich zwei Indikationsgruppen geben.

"Über den Sommer wird es auch für die anderen Versorgungsregionen die Endverhandlungen geben", kündigt die Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, an. "So können wir die lang erwartete Kinderrehabilitation nun möglichst schnell in ganz Österreich anbieten."

Rund 5.000 Kinder sind in Österreich so schwer krank oder behindert, dass sie eine Rehabilitation brauchen. Kranke Kinder wurden für eine Rehabilitation entweder gemeinsam mit Erwachsenen betreut oder mussten nach Deutschland ausweichen. Rabmer-Koller freute sich deshalb auch, dass Kinder in der Rehabilitation künftig "nicht mehr als Anhängsel der Behandlung von Erwachsenen" gesehen werden.

Anträge bei Sozialversicherung

Mit der neuen Kinder-Rehabilitation wird auch die bisher übliche Trennung der Zuständigkeiten für angeborene oder erworbene Störungen beendet. "Ziel ist es, künftig einen unbürokratischen Zugang zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche zu bieten", betont die Hauptverbandschefin. Der "Single Point of Service" für die Antragsstellung ist der jeweilige Sozialversicherungsträger. Die Bewilligung erfolgt nach österreichweit einheitlichen Kriterien.

Die Rehabilitation soll in der jeweils angemessenen Form sowohl körperliche als auch psychische und soziale Aspekte berücksichtigen. Dazu gehören auch Schulunterricht und Freizeitgestaltung. In der Regel begleitet ein Elternteil das Kind. Bei kleineren Onkologie-Patienten ist – so wie in Deutschland – vorgesehen, dass die ganze Familie mitkommen kann.

Bei der Umsetzung des Angebotes hat der Hauptverband neue Weg beschritten. Erstmals wurden medizinische Leistungen über ein Vergabeverfahren ausgeschrieben. In einem ersten Schritt habe der Hauptverband die Qualifikationskriterien der Anbieter überprüft, in einem zweiten Schritt sei mit Hilfe einer unabhängigen Bewertungskommission nach medizinischen Kriterien der Bestbieter ausgewählt worden, erläuterte der stellvertretende Hauptverbands-Generaldirektor Bernhard Wurzer. (red, APA, 25.7.2016)