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Beim Hedgefonds Bridgewater wird alles gefilmt. Firmengründer Ray Dalio ist überzeugt davon, dass diese Unternehmenskultur für den größtmöglichen Erfolg sorge. Nicht alle Menschen könnten damit aber umgehen.

Foto: MICHAEL PROBST/AP

Wer das Buch "The Circle" von Dave Eggers gelesen hat, dem wird die Unternehmenskultur beim weltgrößten Investmentfonds, Bridgewater, bekannt vorkommen: Unter dem Vorwand totaler Transparenz werden dort alle Besprechungen aufgenommen, niemand soll vor anderen Geheimnisse haben. Diese ständige Überwachung war mit ein Grund weshalb der ehemalige Mitarbeiter Christopher Tarui seine Beschwerden über andere Vorgänge im Unternehmen so lange für sich behielt. Seit Anfang des Jahres ist Tarui freigestellt – mit seinem Fall beschäftigt sich nicht nur die Menschenrechtskommission von Connecticut, sondern auch das Nationale Amt für Arbeitnehmerschutz.

Heulkrämpfe vor der Kamera

Sex, Angst und Überwachung stünden bei Bridgewater laut den Recherchen der New York Times an der Tagesordnung. Tarui gibt an, von einem direkten Vorgesetzten mehrere Male sexuell belästigt geworden zu sein, außerdem geht es in den Vorwürfen um einen Firmenausflug der im Alkoholexzess mit Nacktbaden endete und darum, dass Mitarbeiter vor laufender Kamera systematisch fertiggemacht werden.

Firmengründer Ray Dalio argumentierte die Unternehmenspolitik im Gespräch mit einem Journalisten einmal so: "Als ich begann mit Leuten zusammenzuarbeiten fragte ich sie, wie wir zusammenarbeiten sollen. Wollen sie wissen was ich denke? Will ich wissen was sie denken? Es ist doch so offensichtlich. Es erschien mir nicht einmal ethisch, keine kritischen Gedanken über andere Menschen zu haben. Unser Ziel ist es herauszufinden, was wahr ist." Gefilterte Meinungen, Freundlichkeiten und Gerüchte würden ein Unternehmen davon abhalten, das beste zu sein, sagt Dalio.

The New York Times Conferences

Viele, die bei Bridgewater einsteigen, fänden das Konzept logisch und würden auch einwilligen, sagt Dalio. Damit sie sich vorstellen können, dass permanentes Filmen nicht immer einfach ist, werden ihnen Bänder vorgespielt, in denen Mitarbeiter in Tränen zusammenbrechen, minutenlang fertiggemacht werden. "Es dauert etwa 18 Monate bis man sich an diese Praktiken gewöhnt. In dieser Zeit verlieren wir etwa 30 Prozent der Mitarbeiter. Aber diejenigen die bleiben, bleiben lange."

Keine Vertrauenspersonen

Christopher Tarui arbeitete seit fünf Jahren beim Hedgefonds. Die besondere Kultur dort habe auch dafür gesorgt, dass er keine Kollegen hatte, denen er sich anvertrauen konnte. Als er anderen von den Belästigungen erzählte, wurde er später von Vorgesetzten bedroht. Er bekam schlechtere Arbeitszeugnisse, beschloss aber dennoch, sich in der Personalabteilung zu beschweren. Auch dieses Gespräch wurde aufgenommen. Als Tarui damit drohte, sich beim Aufsichtsrat zu beschweren, wurde er vom Unternehmen freigestellt.

Geheimhaltung wird bei Bridgewater groß geschrieben. Manche Mitarbeiter müssen laut New York Times ihre privaten Smartphones jeden Morgen in einen Tresor schließen. Zwei Monate nachdem Tarui sich bei der Menschenrechtskommission beschwerte, ging dort eine gemeinsame Anfrage von Tarui und Bridgewater ein, die Beschwerde nicht mehr zu behandeln. Der Arbeitsvertrag von Bridgewater verpflichtete Mitarbeiter nämlich auch, Streitigkeiten durch Schlichtung beizulegen. Alle Mitarbeiter müssen Vertraulichkeitsvereinbarungen unterschreiben, diese sind nun Thema in einem separaten Verfahren am Nationalen Amt für Arbeitsschutz. Dort wird argumentiert, dass diese Vereinbarungen die Mitarbeiter davon abhalten, ihre Rechte durchzusetzen.

Die Bibel von Bridgewater

"Wir freuen uns auf das rechtliche Verfahren, das die Wahrheit ans Licht bringen wird", schreibt Bridgewater auf Anfrage der New York Times. Das eigene Management habe Taruis Vorwürfe "in Einklang mit unseren festgelegten Prinzipien und dem Gesetz" behandelt. Die angesprochenen Prinzipien sind so etwas wie das Gesetz von Bridgewater. Mehr als 200 sollen es sein, Ray Dalio habe die Spielregeln in einem weißen Büchlein zusammengefasst, das alle Mitarbeiter erhalten. (lhag, 28.7.2016)