Nur einer der vier Lifte der U-Bahn-Station reicht an die Oberfläche. Behindertenvertreter fordern einen zweiten solchen Aufzug.

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Die Wiener Linien reagieren auf die langen Wartezeiten für Gehbeeinträchtigte mit Hinweispiktogrammen.

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Wien – Das amtswegige Prüfverfahren ist eingeleitet, nun setzt die Volksanwaltschaft eine Frist: Wenn die Stadt nicht bis zum 19. August zusagt, die Wiener U-Bahn-Station Stephansplatz mit einem zweiten Lift, der an die Oberfläche führt, auszustatten, werde man einen Missstand feststellen. Das sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Nach seiner Auffassung ist die Barrierefreiheit erst dann gewährleistet, wenn "Aufzüge in ausreichender Kapazität" bereitstehen – nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für Personen, die Kinderwägen schieben, für ältere Menschen oder "spontan auch für Jüngere, etwa nach einem Sportunfall", sagte Kräuter.

Lange Wartezeiten

Der zweite Lift ist auch nach Meinung von Martin Ladstätter, Obmann beim Behindertenverein Bizeps, notwendig. Die Frage, "ob er benötigt wird", sei "nie Thema" gewesen. Erstmals seien nun auch alle Voraussetzungen erfüllt: Es sei technisch machbar, finanzierbar, und der Bezirk wolle den Lift. Ihn zu streichen, sei "behindertenfeindlich", sagte Ladstätter.

Auch Behindertenanwalt Erwin Buchinger sprach sich für den zweiten Aufzug aus. Bei der meistfrequentierten U-Bahn-Station Wiens komme es zu langen Wartezeiten. Fällt der jetzige Lift aus, sei die Barrierefreiheit gar nicht gegeben. Für ihn sei das Aus "befremdlich. Wirtschaftliche Argumente gelten hier nicht".

Ankündigung im März

Die U-Bahn-Station ist mit insgesamt vier Liften ausgestattet – nur einer führt an die Oberfläche. Behindertenvertreter fordern seit langem einen zweiten Lift. Er hätte in der Goldschmiedgasse, unweit des jetzigen Lifts beim Haas-Haus, im Rahmen der Sanierung des Stephansplatzes entstehen sollen. Die rot-grüne Stadtregierung kündigte ihn am 2. März dieses Jahres in einer Zwischenbilanz zu "100 Tage Rot-Grün 2" an. Die Kosten von rund zwei Millionen Euro müssten hauptsächlich die Wiener Linien tragen. Den Verkehrsbetrieben ist das zu teuer: Das Vorhaben wurde vor wenigen Wochen abgeblasen – und rief die Volksanwaltschaft, Behindertenvertreter und Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) auf den Plan.

Der Bezirk spricht sich vehement für den Lift aus und würde zehn Prozent der Kosten übernehmen. Rollstuhlfahrer formierten sich auch am Dienstag in einer Warteschlange, um auf die Überlastung des jetzigen Aufzugs hinzuweisen.

Piktogramme für den Vorrang

Die Kapazität sei ausreichend, heißt es seitens der Wiener Linien. Eine aktuelle Zählung habe ergeben, dass im Schnitt drei Rollstuhlfahrer pro Stunde den Lift nutzen würden. Rechnet man anders gehbeeinträchtigte sowie Personen mit Kinderwägen ein, seien es 25 bis 30 pro Stunde, sagte ein Sprecher zum STANDARD.

Das Problem sei, dass der Lift auch von Menschen genutzt wird, die ihn nicht brauchen. Deshalb wolle man nun verstärkt auf Piktogramme setzen, sowie über die sozialen Medien auf den Vorrang für Ältere, Gehbehinderte oder Personen mit Kinderwägen hinweisen.

Wird der Lift nicht im Zuge der Generalsanierung des Stephansplatzes errichtet, dürfte er gänzlich vom Tisch sein. Denn nach den im November 2017 abgeschlossenen Bauarbeiten wird ein zehnjähriger Aufgrabungsstopp verhängt. Die Freigabe für die Sanierung – mit oder ohne zweitem Lift – soll noch im August erfolgen. (Christa Minkin, 2.8.2016)