Hochstimmungen verkaufen sich überall bestens, und das Berauschendste ist meist gerade gut genug – Mårten Spångberg und seinen Tänzern allerdings genügt die Magie des Normalen als Sensation.


Foto: Mårten Spångberg

Wien – Wie einem Moment etwas Besonderes abgewinnen, der so ganz normal ist? Kein Hoch, kein Blues, weder Spannung noch Langeweile, sondern etwas Bestimmtes dazwischen. In Dawn hat der schwedische Choreograf Mårten Spångberg mit sieben Tänzerinnen und Tänzern aus Anne Teresa De Keersmaekers Brüsseler Tanzschule P.A.R.T.S. an einem solchen Moment experimentiert. Das Ergebnis war am Montag bei Impulstanz im Odeon zu sehen.

Morgendämmerungen können spektakulär sein. Aber dann gehören sie zur Routine der Höhepunkte, nach denen alle immer zu gieren scheinen. Der Tanz in dem Stück Dawn meidet genau diese Dauerklimax. Die sieben Figuren auf der dämmrigen Bühne tanzen zu einem nett klingenden Gedudel, das im Loop abgespielt wird, und seitlich wallt Gewölk in einem Video.

Die Bewegungen der Gruppe sind genau kalkuliert. Die drei Männer und vier Frauen berühren einander nie. Manchmal tanzen sie synchron, dann wieder folgen alle ihren eigenen Phrasen. Sie bleiben immer aufrecht, und sie springen auch nicht. Kein Auftrumpfen, kein Understatement.

Während einander verschiedene Gruppenkonstellationen abwechseln, gerät das Publikum in einen Dämmerzustand. Doch das suggerierte Auf und Ab der Aufmerksamkeit gehört offensichtlich zum Konzept von Dawn.

Das ist ein Stück, in dem die Zuschauerinnen und Zuschauer die Gedehntheit des Moments erfahren: in einem Widerspruch zwischen dem musikalischen Loop und den Variationen des Tanzes – Wiederholung und Differenz, um's mit Gilles Deleuze auf ein Schlagwort zu bringen.

Kein Wunder, wenn das in der Mehrzahl junge Publikum im vollbesetzten Odeon am Ende mit gedämpftem Applaus reagierte. Etwas anderes hätte nicht gepasst. Das Stück hätte seine Wirkung verfehlt, gäbe es ein Erwachen aus dem Schwebezustand zwischen Aufmerksamkeit und Weggetretensein. Denn gerade dieser Zustand hat die Qualität dieses Erlebnisses ausgemacht.

Genau aus diesem Grund ist Dawn eine Meisterleistung des Dazwischenbleibens und des Komponierens mit den Schattierungen des Verweilens.

Damit fällt dieser konsequent durchgehaltene Tanz ganz und gar aus dem Rahmen dessen, was gerade in der zeitgenössischen Choreografie en vogue ist. Spångberg wird im Festival demnächst zwei weitere Arbeiten zeigen, La Substance, but in English und Natten. Die könnten allerdings weniger gelassen daherkommen. (Helmut Ploebst, 2.8.2016)