Im Jahr 1927 eröffnete der Abenteurer Thomas Crean in seinem Heimatdorf Annascaul das Sout Pole Inn.

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Thomas Crean mit seinen Schlittenhund-Welpen Roger, Nell, Toby und Nelson, fotografiert von Frank Hurley während der Endurance-Expedition im Jänner 1914.

Foto: Frank Hurley

Das South Pole Inn in Annascaul wirkt heute wie ein Reliquienschrein für Thomas Crean.

Foto: Peter Kersten [CC-BY-SA 4.0]

Annascaul auf der Halbinsel Dingle im Südwesten Irlands: Das schmucklose Dörflein hat 300 Einwohner, eine Hauptstraße, eine Schule, einen Polizeiposten, eine Kirche, einen Friseur, ein Postamt und einen Sportverein für Gaelic Football. Wer hier als Tourist haltmacht, der will zum Südpol.

Thomas Crean (1877–1938) hat den Pub "South Pole Inn" 1927 in seinem Heimatdorf Annascaul eröffnet. Da hatte der irische Seemann und Antarktisforscher bereits drei Südpol-Expeditionen hinter sich. Unter anderem mit Robert Falcon Scott und Ernest Shackleton. Die kennt vermutlich jeder, aber Thomas Crean?

Unterwegs mit Robert Scott und Ernest Shackleton

Im Alter von 15 Jahren verließ Crean seine Heimat, um bei der Royal Navy anzuheuern. The Last Frontier, die letzte Grenze der Zivilisation, die wollte er überwinden: Crean war Mitglied der Antarktis-Expeditionen von Scott, der unbedingt als Erster den Südpol erreichen wollte. Mit dem Norweger Roald Amundsen lieferte er sich 1911 ein für den Engländer tödliches Rennen. 230 Kilometer vor dem Ziel schickte Scott drei seiner Männer, darunter Crean, zurück, um Hilfe zu organisieren. Dieser absolvierte die letzten des über 1000 Kilometer langen Rückwegs allein. Entbehrungen und Leiden bis zu Erfrierungen bei minus 50 Grad Celsius, das waren seine treuen Begleiter am antarktischen Ende der Welt.

100 Jahre alter Gesprächsstoff

Als die legendäre Endurance-Expedition unter der Leitung von Shackleton zu scheitern drohte, war es Crean, der die 800-Seemeilen-Rettungsfahrt von Elephant Island nach South Georgia begleitete und zu Fuß die Berge des bis dahin unerforschten South Georgia überwand, um Hilfe zu holen. Anders als Scott und Shackleton überlebte Crean die Antarktis. Als er sein Abenteurerleben beendete und nach Irland zurückkehrte, suchte er nach einem Lebensunterhalt. Das "South Pole Inn" war geboren, für passenden Gesprächsstoff 100 Jahre später hatte er noch selbst gesorgt: Es war der 30. August 1916, an dem er die Überlebenden von Elephant Island gerettet hat.

Reliquien des Thomas Crean

Heute herrscht in dem Pub organisiertes Chaos, so als wäre gerade eine Überraschungsbombe für Kindergeburtstage explodiert. Nur hat diese statt Süßigkeiten lauter Erinnerungsstücke ausgespuckt – überall im Lokal hängen wild über die Wand verteilt Bilder von Annascauls berühmtesten Sohn: Tom Crean mit jungen Huskies auf dem Arm, Tom in der Antarktis, Tom bei der Pub-Einweihung 1927 und daneben Zeitungsausschnitte. Alles gleicht dem Reliquienschrein eines Heiligen. Auf dem Kaminsims liegen Bücher über Expeditionen, am Fenster steht eine Miniaturnachbildung der im Eis zermalmten En durance. Regale biegen sich unter der Last von Büchern und Zeitschriften über den Mann, der Annascaul bekannt gemacht hat.

Cowboy der Antarktis

Neben der Bar hängt das wohl berühmteste Bild von ihm: Crean mit Mütze, einer Pfeife im Mund wie Sherlock Holmes. Ein gutaussehender, großgewachsener Mann mit großen dunklen Augen. Sein Blick scheint jedem im Pub zu folgen, ein Cowboy in der Antarktis. Ein ergreifendes Bild. "Er war ein mutiger Mann, nicht sehr gebildet, aber ohne ihn wäre Shackleton nichts gewesen", sagt Eileen Percival, 68, die den Pub betreibt. "Tom war viele Jahrzehnte ein wenig bekannter Held", der sich in Gefahr brachte, um andere zu retten. "Er war physisch und mental sehr stark!" Die freundliche Wirtin mit weißer Bluse und den schwarzen Herzen darauf ist stolz auf ihre irische Legende.

Fenster zum Südpol

"Man sagt, die Augen seien das Fenster der Seele." Das steht auf einem kleinen Schild mit großen schwarzen Buchstaben im Pub. "Aber hier gibt es ein Fenster zum Südpol", sagt Eileen. Mitten im Schankraum hat sie ein großes beleuchtetes Holzfenster anbringen lassen. Wenn man es öffnet, ist ein tosender Orkan zu hören, so als würde man sich mitten in einem antarktischen Sturm befinden. Der wunderbare Versuch, das meteorologische Universum des Südpols einzufangen. Die Besucher aus China, den USA und Indien, die gerade ein Bier bestellen, sind begeistert.

Tom Crean's Fresh Irish Lager

Ob Stout, Porter, Ale oder Lager – im Südpol ist alles zu haben. Natürlich wird hier auch ein nach Crean benanntes Bier gezapft: "Tom Crean’s Fresh Irish Lager" wird nach dem Reinheitsgebot hergestellt. Die Brauerei ist stolz darauf, dass man das Bier sogar an Bord einer irischen Fluggesellschaft bestellen kann.

Annascaul und "Tom the Pole", wie Crean von seinen Nachbarn genannt wurde, das ist wie der Everest und Hillary. Sir Edmund, der – im Gegensatz zu Crean – 1958 den Südpol tatsächlich erreichte, kam im Jahr 2002 im Pub auf ein Guinness vorbei und verewigte sich im Gästebuch. (Michael Marek, 10.8.2016)