Serbiens Premier Aleksandar Vučić bei der Vorstellung seines Programms im serbischen Parlament. Er sprach mehr als sechs Stunden.

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Die politische Szene Serbiens ist auf eine Person konzentriert: Es dreht sich alles um den alten und neuen Premier Aleksandar Vučić. Seine Entscheidung war es, vorgezogene Parlamentswahlen am 24. April auszuschreiben, zwei Jahre vor Mandatsende und trotz absoluter Mehrheit. Und obwohl seine Serbische Fortschrittspartei (SNS) wieder die absolute Mehrheit gewann, ließ er seine Minister, Parteigenossen und mögliche Koalitionspartner über drei Monate zappeln, bis er am Wochenende endlich die Zusammensetzung der neuen Regierung bekanntgab.

Acht neue Minister holte Vučić an Bord und sprach Mitte der Woche dann vom "frischen Blut" und einer "kämpferischen Regierung". Er wechselte unter anderem den Wirtschaftsminister, den Justizminister und den Kultur- und Informationsminister aus. Das größte Aufsehen löste Ana Brnabić aus, die neue Ministerin für öffentliche Verwaltung und lokale Selbstverwaltung – als erste offen homosexuelle Ministerin im erzkonservativen Serbien, in dem die Belgrader Pride in den vergangenen Jahren entweder "aus Sicherheitsgründen" abgesagt wurde oder nur mit gewaltigem Polizeiaufwand stattfinden konnte.

Kommentatoren schrieben, dies sei ein Zugeständnis an die EU gewesen, die Serbien wegen der Lage der LGBT-Rechte kritisiert. Vučić holte auch den alten Koalitionspartner, die Sozialistische Partei Serbiens (SPS), in die Regierung, die als prorussisch gilt. SPS-Chef Ivica Dačić blieb Außenminister, seine Partei erhielt wieder das für Russland wichtige Ministerium für Energie.

Sechs Stunden Vučić-Rede

Die russische Zeitung "Kommersant" schrieb, dass die neue Regierung von der Fortsetzung einer zwischen Russland und dem Westen ausbalancierten Politik Serbiens künde. Im Herbst wird Russlands Premier Dmitri Medwedew in Belgrad erwartet.

Am Montag las Vučić im Parlament stehend und ohne Pause über sechs Stunden lang aus seinem Programm vor. Er wollte wohl seinem Image eines Mannes, der immer schuftet, sich mehr aufopfert und mehr aushalten kann als alle anderen, gerecht werden.

Es ist ein altes Thema im serbischen Parlament, dass Vučić eine bessere Blase habe als Abgeordnete. Der Klubchef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Šešelj, sagte höhnisch, dass man sich Windeln besorgen sollte. Vučić antwortete trocken, er brauche keine.

Dann sprach er lang, sagte aber kaum Neues: Ziel sei, alle Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen zu schließen, Beziehungen zu Russland und China zu erhalten; Strukturreformen durchzusetzen, die Wirtschaft anzukurbeln. Die Opposition fragte, warum Neuwahlen ausgeschrieben wurden, weshalb Vučić Monate mit der Regierungsbildung zögerte und sich nun kaum etwas ändere. Dies blieb unbeantwortet. (Andrej Ivanji aus Belgrad, 10.8.2016)