Wien – Wer sich in jungen Jahren ein Eigenheim leisten will, ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Etwas anzusparen ist für junge Menschen wegen der unsicheren Arbeitsmarktlage und niedriger Zinsen viel schwieriger als früher. Die Herkunft und die Frage, ob man später einmal etwas erbt, werden für die eigenen Lebenschancen immer entscheidender. Gängige Thesen, wenn es um die Generationenfrage geht.

Doch was und wie viel erben junge Erwachsene heute im Vergleich zu früher tatsächlich? Präzise Antworten gibt es nicht, denn: Die Datenlage ist mau.

Die Stastitik der bis ins Jahr 2008 gültigen Erbschaftssteuer gibt deshalb nichts her, weil erstens die Vermögensfreigrenzen so hoch lagen, dass nur ein Bruchteil aller Erbfälle überhaupt versteuert werden musste. Zweitens sind die demographischen Merkmale der Steuerzahler nicht bekannt – Rückschlüsse auf die Altersstruktur lassen sich also nicht ziehen.

Bessere Einblicke liefert eine EU-weit einheitliche Haushaltsbefragung. Diese Erhebungen werden aber erst seit 2010 und nur alle vier Jahre durchgeführt, weshalb kein historischer Vergleich möglich ist. Vermögen und Erbe sind außerdem für viele ein heikles Thema, die Angaben deshalb nicht immer verlässlich. Hohe Erbsummen werden oft nicht angegeben, die Statistik ist verzerrt.

Ältere Semester sahnen ab

Trotzdem spiegeln die Befragungen grobe Trends wider. Ein – naheliegendes – Ergebnis: Geerbt wird vielfach erst im fortgeschrittenen Alter. Vermögen wird schließlich in erster Linie von Eltern an ihre Kinder weitergegeben, nicht gleich an die Enkel. 43 Prozent aller 50-Jährigen haben schon einmal von Erbschaften oder Schenkungen profitiert, bei den 30-Jährigen sind es "nur" 28 Prozent. Das ist aber noch immer ein beachtlicher Wert. Viele Jungfamilien dürften eine materielle Starthilfe in der einen oder anderen Form erhalten – auch wenn sie wertmäßig nicht unbedingt hoch ausfällt.

Die größeren Vermögen, v. a. in Form von Wohneigentum, bekommen dann aber die älteren Semester. Das ist ein Grund von mehreren, warum Vermögen stärker vom Alter abhängig sind als laufende Einkommen. Ein anderer hat nichts mit Erben zu tun: Wer älter ist, hatte ganz einfach schon mehr Lebenszeit zum Sparen.

Schneller zum Eigenheim

Was die Haushaltsbefragung ebenfalls zeigt: Wer sich schon in jungen Jahren ein Eigenheim leisten kann, hat das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einer Erbschaft oder einer Schenkung zu verdanken. Zwei Drittel aller unter 30-Jährigen, die bereits ein Eigenheim besitzen, haben in irgendeiner Form geerbt: manche die Wohngelegenheit selbst, manche Geld, um sich den Hausbau oder die Eigentumswohnung besser leisten zu können.

Das restliche Drittel hat sich die eigene Bleibe ausschließlich anderweitig finanziert – etwa indem sie über Jahrzehnte einen Kredit abzahlen. Doch sogar bei der Kreditaufnahme spielen Erbschaften nicht selten eine Rolle: Wer nämlich aus einem begüterten Haushalt kommt, kann eher auf eine Erbschaft in der Zukunft hoffen und ist deshalb risikofreudiger.

Vererbtes Vermögen nimmt zu

Für den Eigentumserwerb ist Erben also immens wichtig – und wird in Zukunft noch wichtiger, denn das vererbte Vermögen nimmt rasant zu. "Derzeit werden jährlich geschätzt zehn bis 15 Milliarden Euro übertragen, bis zum Jahr 2040 ist mit einer Verdoppelung zu rechnen", sagt Stefan Humer von der Wirtschaftsuni Wien. Dann nämlich gibt die Generation der Babyboomer, heute in ihren 50ern und 60ern, ihr Erarbeite- tes weiter. Sie konnten leichter Vermögen aufbauen als die Generation vor ihnen, deren Lebens-zeit noch stärker von Krieg und schlechterer Wirtschaftsentwicklung geprägt war. Der Wert von Grund und Immobilien wuchs in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung – genau wie das Finanzvermögen.

Weiters legt die immer höhere Lebenserwartung nahe, dass die Menschen später erben: Der Wert der Erbschaften steigt ebenso wie das Alter der Begünstigten.

Zwei Drittel erben nichts

Gesicherte Studien dazu, wie sich Höhe und Zusammensetzung von Erbschaften sowie die demografischen Charakteristika verändert haben, gibt es aber nicht, sagt Jakob Kapeller von der Uni Linz. Auch wenn das Vermögen steigt, sei es wichtig zu erwähnen, dass nur rund 35 Prozent der Bevölkerung überhaupt jemals in den Genuss eines Erbes kommen.

Ernüchternd ist der Blick auf das untere Ende der Vermögensverteilung. Zur Armutsgefährdung gibt es zwar ebenfalls erst seit rund zehn Jahren verlässliche Daten. Seitdem hat sie aber für Jugendliche und junge Erwachsene – ohnehin überdurschnittlich gefährdete Gruppen – leicht zugenommen. "Hauptverantwortlich dafür ist der instabiler werdende Arbeitsmarkt. Für Junge ist es heute schwieriger, einen geregelten, ordentlich bezahlten Job zu finden", so WU-Ökonom Humer.

Erbschaftssteuer gefordert

Und die Ungleichheit nimmt zu: "Die größte Wahrscheinlichkeit zu erben hat man heute als 50- oder 60-Jähriger", sagt Humer. Die Erbschaft per se sei dann nur noch das Sahnehäubchen zu einer Zeit, in der der Lebensstil bereits ordentlich abgesichert ist. Sozialer Status und ökonomische Vorteile werden außerdem auch über andere Kanäle an die nächste Generation weitergegeben: etwa die Finanzierung des Bildungswegs oder berufliche Netzwerke.

Spätestens wenn die kinderarmen Generationen ihr Erbe antreten, wird sich laut vielen Vermögensforschern die Konzentration noch verschärfen: Weniger erben dann noch mehr. Die Ungleichheit lindern würde laut Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer. In der richtigen Ausgestaltung sei diese "hochgradig sinnvoll", sagt auch Kapeller. (Simon Moser, 13.8.2016)