Wissenschafter haben ein neues Molekül entwickelt, das anstelle von Morphium zur Schmerzbekämpfung eingesetzt werden könnte. Der Vorteil gegenüber dem seit Jahrtausenden verwendete Opiat: Laut der am Mittwoch in der US-Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Studie löst die Substanz weder Atemnot aus, noch macht sie süchtig oder führt zu Verstopfungen.

Aufgrund dieser Nebenwirkungen gilt die Vergabe von Morphium als riskant. Ein Forscherteam um Brian Kobilka, dem Chemie-Nobelpreisträger von 2012, von der Stanford-Universität in Kalifornien untersuchte am Computer drei Millionen Stoffe und siebte aus diesen die ideale Kombination für die Schmerzbekämpfung heraus. Das neue Molekül mit der Bezeichnung PZM21 aktiviert einen Bereich im Gehirn, der Schmerzen unterdrückt. Im Vergleich zu Morphium wirkt die synthetische Substanz länger.

Die Wissenschafter testeten das Molekül an Mäusen, die bei der Einnahme von Morphinen und anderen Schmerzmitteln ebenso schnell süchtig werden wie Menschen. Die Nager zeigten im Versuch keine Präferenz zwischen einem Fach, in dem sie PZM21 verabreicht bekamen, und einem Fach, in dem sie eine neutrale Salzlösung erhielten. Nach Angaben der Forscher bietet PZM21 eine "lang anhaltende Schmerzfreiheit verbunden mit dem offensichtlichen Ausschalten von Atemdepression".

Schlüssel und Schloss

Morphium wird seit 4000 Jahren als Schmerzmittel eingesetzt und auch in der modernen Medizin geschätzt. "Aber es ist auch gefährlich", sagt Brian Shoichet, Forscher in San Francisco und einer der Mitautoren der Studie. Seit Jahrzehnten werde nach einer sicheren Alternative gesucht, so der Wissenschafter. Die Forschung konzentrierte sich bisher vor allem darauf, die Nebenwirkungen zu beseitigen.

Shoichet und seine Kollegen von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, von der Universität North Carolina und aus Stanford gingen einen anderen Weg: Sie konzentrierten sich auf den Opioidrezeptoren im Gehirn, durch den die Schmerzunterdrückung ausgelöst wird.

Sie fanden dabei das passende Molekül, das sich an den Rezeptor heftet und wie ein Schlüssel funktioniert, der ein Schloss aufschließt. Damit keine Nebenwirkungen – wie beim Morphium – ausgelöst werden, darf das Molekül sich nicht an einen weiteren Rezeptor im Gehirn heften.

Ziel: Das perfekte Schmerzmedikament

In einer Computersimulation fanden die Wissenschafter aus drei Millionen kommerziell erhältlichen Stoffen – und einer Million möglicher Ergänzungen für jeden davon – jene heraus, die am besten auf den Rezeptor passen. Aus 2500 möglichen Molekülen filterten sie wiederum die heraus, die den Opioiden zu sehr ähnelten. Am Ende blieb ein einziges Molekül übrig, das alle gewünschten Funktionen erfüllte.

Die Forscher bewerteten ihre Methode als "einen Schritt vorwärts zum perfekten Schmerzmittel". PZM21 muss aber zunächst auf seine Verträglichkeit für Menschen und auf Effektivität getestet werden, bevor es auf den Markt kommen kann. (APA, AFP, 18.8.2016)