In Berlin-Mariendorf im Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat Stone Brewing seine neue Bleibe gefunden

Foto: Stone Brewing / Marienpark Berlin

Auf dem Gelände der Brauerei gibt es einige Ecken, wo Gäste sich zurückziehen und entspannen können.

Foto: Stone Brewing / Marienpark Berlin

Greg Koch, Rockstarfrisur, Holzfällerbart, ist bekannt für krachende Worte und ebenso krachende Aktionen, mit denen er die Bedeutung seines Craft-Biers betont. Als der US-Amerikaner und Mitgründer der mittlerweile legendären Stone Brewing Company im Sommer 2014 in Berlin den Grundstein für eine Brauerei-Filiale legte, hatte er auf einer Palette einen Haufen aus Industriebieren aufgetürmt. Dann hielt Koch eine flamboyante Rede auf das wirklich gute Bier, das mit abenteuerlichen und überraschenden Aromen, mit Qualität und mit Vollmundigkeit überzeuge.

Ein Gabelstapler rückte heran und ließ einen gewaltigen Findling auf die typisch deutschen Biere fallen, die von Craft-Bier-Jüngern gern abfällig als "Fernsehbiere" bezeichnet werden. Die Botschaft war klar: weg mit dem billigen, langweiligen Einheitsgesöff und her mit den Aromabomben der neuen Hopfenzauberer, die den konservativen Biermarkt mit hopfengetunkten India Pale Ales oder untergärigen Lagerbieren, mit Black Stouts oder Red Ales sei geraumer Zeit gehörig aufwirbeln.

"Gutes Bier"

Über die Internetleitung klingt Kochs Stimme etwas blechern. Aber auch an diesem Morgen, als er mit seinem Auto unterwegs ist zum Stammsitz von Stone Brewing im südlichen Kalifornien, sieht sich der Hexenmeister unter den Craft-Bier-Könnern sofort in seinem Element. Schließlich jährt sich die Ausrufung des deutschen Reinheitsgebotes zum 500. Mal: "Man kann sehr gute Biere innerhalb des Reinheitsgebotes brauen, aber eben auch außerhalb. Genauso kann man sehr schlechte Biere innerhalb des Reinheitsgebotes brauen. Wir aber haben uns immer um das gute Bier gekümmert."

Und er ergänzt: "Das Reinheitsgebot an sich ist nicht für die aktuelle Misere der Industriebiere verantwortlich. Schließlich sind die meisten der Biere, die wir machen, auch im Geist des Reinheitsgebots gebraut. Der Konservatismus hat mehr mit einem Dogma im Kopf der Industrie und der Biertrinker zu tun. Und diese Mentalität besagt, dass sich das gebraute Bier geschmacklich in einem sehr eng gefassten Radius bewegen soll." Diesen Radius wollen Koch und sein Partner Steve Wagner erweitern. Und das mit mitunter radikalen Mitteln der Braukunst. Das Logo von Stone Brewing zeigt einen Gargoyle, einen Dämon. Er steht für den rebellischen Geist der Stone-Biere, die Namen wie "Arrogant Bastard" und "Lucky Bastard" tragen.

Greg Koch ist Mitgründer der Stone Brewing Company.
Foto: Stone Brewing Company

Eines der Biere, die Stone Brewing kreiert hat, nennt sich Ruination. Das IPA ist längst eine Legende unter den zeitgenössischen Craft-Bieren. Ein Bier, das den Trinker mit einer wilden Mixtur aus Zitrus-, Karamell- und Vanillearomen herausfordert. Und das alles durch die Zugabe der richtigen Mischung aus Aromahopfen. Den Namen hat dieses IPA nicht umsonst. "Es ruiniert tatsächlich deinen herkömmlichen Biergeschmack", sagt Thomas Tyrell. "Danach kannst du eigentlich nicht mehr zurück zu den geschmacklich eher einfachen Bieren."

Der schlanke Mann mit der Schriftsteller-Brille ist der deutsche Braumeister der neuen Berliner Filiale von Stone Brewing, die heute schon eine der zehn größten Brauereien der USA ist. Nun also soll die deutsche Hauptstadt erobert werden, und dazu Europa. Dafür haben Koch und Co. 25 Millionen US-Dollar in die Hand genommen und damit das 1901 errichtete Gaswerk im südlich gelegenen Bezirk von Mariendorf umgebaut. Es ist eine schöne Anlage in grüner und historischer Umgebung.

Eröffnung der Megabrauerei

Seit kurzem ist die hypermoderne 100 Hektoliter-Brauanlage in Betrieb. Sie soll eine Produktionskapazität von jährlich 100.000 Hektoliter haben. Zudem gibt es ein Restaurant mit 700 Plätzen sowie eine großzügige Außenanlage und eine kleine Bar. Tyrell zeigt in Richtung Saal, der durch eine gigantische Glaswand vom Braubetrieb getrennt ist. "Das Ganze soll ein Ausflugsort werden, an dem es um gutes Essen und gutes Bier gehen wird", erzählt Tyrell, der Anfang der Neunziger das Brauhandwerk in einem mittelständischen Betrieb im westfälischen Oelde gelernt hat und in Portland, dem Ursprungsort der US-amerikanischen Craftbrauerei-Bewegung, Mitte der Neunziger zum Craft-Bier konvertierte. Sage und schreibe 65 Biere gibt es vom Fass geben, ein Großteil von Stone Brewing selbst, der Rest aus der Produktion von Berliner Mikrobrauereien.

Das Restaurant bietet 65 Biere vom Fass.
Foto: StudioSchulz.com

Bei Craft-Bieren muss bekanntlich alles stimmen: das Handwerk wie auch die Qualität der Zutaten. "Wir haben unsere eigene Wasseraufbereitungsanlage, mit der wir beliebig geweichtes Wasser filtern können", sagt Tyrell. "Das Malz kommt von Mälzereien in Dänemark und Norddeutschland." Und der für das Craft-Bier so wichtige Aromahopfen? "Wir importieren einiges aus den USA oder Neuseeland. Aber mittlerweile stellen sich ja auch die Hopfenbauern in Deutschland auf die neuen Produzenten ein und bringen immer neue Züchtungen hervor. Da ist gerade eine richtige Revolution im Gange, die auch wieder andere Biere erzeugen wird."

Standortfrage

Berlin sei ohnehin ein guter Standort für das europäische Experiment der Stone Brewing Company, die 1996 gegründet wurde. Darüber sind sich Tyrell und Koch einig, der sich für die erste Stone-Filiale außerhalb der USA 130 Orte in neun Ländern Europas angeschaut hat. "Deutschland hat einfach eine lange Tradition an Braukunst und damit ein enormes technisches Know-how mit der passenden Infrastruktur", hatte Koch am Telefon gesagt. "In Berlin haben in den vergangenen Jahren zwei bis drei neue Brauereien aufgemacht", ergänzt Tyrell. "Auch dank internationaler Brauer, die an der Technischen Universität lernen. Aber auch dank der vielen Quereinsteiger, die dem Markt mit ihren tollen Bierkreationen sehr gut tun. Und denen wollen wir ja auch ein Forum bieten."

Koch, der vor seiner Karriere als Bierbrauer in einer Rockband gespielt hat, ist zweifelsohne ein furchtloser Visionär, wenn es um den Hopfensaft geht. "Ich bin daran gewöhnt in Umgebungen zu arbeiten, wo die Leute auf das, was ich mache, noch nicht vorbereitet sind." Will heißen: vor dem konservativen Biertrinker in Deutschland, wie auch vor dem umkämpften Biermarkt in Europa hat der 51-Jährige keine Angst. Denn: "Sobald die Leute die Möglichkeit haben, neue Biere kennenzulernen, werden sie sich öffnen – für neue Aromen, Geschmäcker, eben für neue Biere." (Ingo Petz, 3.9.2016)

Foto: StudioSchulz.com