Almut Klotz
Fotzenfenderschweine

Verbrecher Verlag 2016
144 Seiten, 19 Euro

Foto: Verbrecher Verlag

Unverblümt ist ein Wort, mit dem sich das, was und wie Almut Klotz in "Fotzenfenderschweine" über sich und vor allen Dingen über ihre Beziehung zu Christian Dabeler schreibt, in aller Kürze ausdrücken ließe. Aber es damit sein zu lassen wäre stark verkürzend. Denn "Fotzenfenderschweine" ist eine große Liebesgeschichte, die sich nicht in einem Wort zusammenfassen lässt: nämlich die Liebesgeschichte zwischen der lässigen Lassie-Singerin Almut Klotz und dem "arschcoolen" Reverend Dabeler, der in der Hamburger Musikszene als DER Reverend und beste Organist gelobt wird – sonst aber weitgehend unbekannt ist.

Coole Attitüde und tiefe Verbundenheit

Unglaublich wäre deshalb noch ein anderes Wort, das naheliegt. War es doch Almut Klotz, die bei den Lassie Singers für Texte wie "Liebe wird oft überbewertet" mitverantwortlich war. Dass sich diese coole Attitüde und eine wahre, tiefe Verbundenheit nicht ausschließen, zeigt das Buch ganz deutlich. So wie sich ja auch Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis nicht ausschließen. Und: Feministisches Selbstbewusstsein ist nicht gleichbedeutend damit, den Kopf in allen Dingen durchzusetzen.

Das zeigt auch die kurze Passage zum Haarschnitt: Almut Klotz überlegt, ihre Haare abschneiden zu lassen, um dadurch "frischer und jünger" auszusehen. Der Reverend, wie Klotz ihren redegewandten Freund und späteren Ehemann bei seinem frühen Künstlernamen liebevoll nennt, mag jedoch die langen Haare. Sie lässt sie lang – obwohl sie natürlich entsetzt gefragt wird: "Was? Du lässt die Haare so lang, nur weil es deinem Freund gefällt?" Ein nachvollziehbarer Reflex, denn wo bleibt denn da das feministische Bewusstsein? "Er sieht mich schließlich viel öfter an als ich mich selbst", antwortet sie.

flojanika

Übergroßes Maß an Ehrlichkeit

"Mit Reverend sind die Höhen kurz und heftig, die Tiefen dahinter aber immer schon sichtbar." So beschreibt Almut Klotz die schwierige Beziehung am Anfang des Buches. Und in dieser Phase konnte wohl niemand, vermutlich nicht einmal die beiden selbst, so genau sagen, was sie aneinander haben und finden.

Aber genau das ist das Schöne an dem Buch: Es entwickelt sich so wie die Beziehung, und es ist so unmittelbar. Das mag daran liegen, dass Almut Klotz aufgrund ihres frühen Krebstodes 2013 keine Zeit mehr blieb, um es fertig zu schreiben, geschweige denn noch etwas darin zu verändern. Aber größtenteils ist es sicherlich ihre Absicht, mit so einem übergroßen Maß an Ehrlichkeit zu konfrontieren.

Verleger Jörg Sundermeier trifft es in seinem Nachwort perfekt, wenn er schreibt: "Dennoch hat das Buch eine so große Wucht – es greift die, die es lesen, an und berührt nicht nur diejenigen, die namentlich darin vorkommen. Im Gegenteil: Vieles von dem, was Almut Klotz hier über das Sich-Zusammenraufen von zwei Liebenden erzählt, kennt man, würde es öffentlich jedoch nie eingestehen."

Oliver Koop

Kritik an Berliner Indie-Musikszene

Ob dieses beinahe brachiale Ausbreiten intimer Details auch darin begründet liegen könnte, dass Almut Klotz wusste, dass sie das Erscheinen des Buches – dass es erscheinen soll, war ihr ausdrücklicher Wunsch – nicht erleben wird, ist Spekulation. Quasi nach mir die Sintflut. Hier wird gesagt, was sich sonst kaum jemand zu sagen traut, schon gar keine Feministin.

Aber weil sie damit auch sich selbst kritisiert, ist klar, dass das, was sie etwa über Frauen in der Berliner Indie-Musikszene sagt, wichtig und richtig ist, wenn auch hart: "Musikkolleginnen haben sich oft beklagt, warum es so wenige Musikerinnen gäbe. Neben allen Steinen, die ihnen von den bösen Jungs in den Weg gelegt werden, kommt aber nie zur Sprache, dass kaum ein Mädchen sich mit seinem Instrument, seinem Sound mal richtig beschäftigt und übt … Ich will mich da nicht ausnehmen." Das sitzt! Wird aber auch von einigen anderen Musikerinnen bestätigt – die sich allerdings als Frauen und nicht als Mädchen bezeichnen.

Kein Happy End

Ebenso offen beschreibt Klotz den Reverend, etwa seine Kindheitstraumata, wodurch sein schwieriger Charakter plötzlich beinahe liebenswert rüberkommt. Je weiter das Buch dem Ende zugeht, desto besser entwickelt sich die Beziehung, desto mehr lässt sich das Näherkommen herauslesen. Der Titel des Buches spiegelt zudem eine gewisse Bewunderung wider – weshalb sonst hätte sie eines seiner Worte dafür verwendet? (Was Fotzenfenderschweine sind, ist im Buch nachzulesen.)

Vielleicht hätte es sogar ein Happy End geben können, wäre nicht das Sterben gewesen. Das Ende der erwähnten Haar-Szene lässt das vermuten, so aber rührt es zu Tränen: "Als dann später aufgrund einer Chemotherapie all meine Haare ausfielen, streichelte er oft über meine Glatze und sagte: 'Ich lieb' dich auch so.'" (Christine Braunersreuther, 25.8.2016)