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Nigerias Präsdient Muhammadu Buhari will nun doch mit härterer Hand für Ordnung sorgen.

Foto: Reuters / Afolabi Sotunde

Abuja/Wien – Wer zu spät zur Arbeit kam, hatte wenig zu lachen: Beamte haben sich nur wenige Minuten verspäten müssen – schon waren Soldaten zur Stelle, um sie zu zwingen, auf der Straße Froschsprünge zu machen. Wer sich an der Bushaltestelle vordrängte oder Müll auf die Straße warf, dem drohte ebenfalls Übles: Polizisten standen mit Schlagstöcken und Peitschen bereit, in einigen Fällen gab es sogar Gefängnisstrafen. Und doch: Während sich viele an Angst vor der Bestrafung und den Behörden erinnern, haben andere positive Assoziationen.

Damals, zwischen 1984 und 1985, war Muhammadu Buhari Nigerias Militärdiktator und ging nicht nur mit Härte "gegen die Indisziplin" vor, sondern auch gegen die Korruption. Die Erinnerung an Letzteres war es auch, die Buhari im vergangenen Jahr nach Wahlen wieder ins Amt spülte – nach eigenen Angaben als "reformierten Demokraten" und unter großen Erwartungen, dass er seinen Kampf gegen Korruption erneut aufnehmen werde.

Doch nun, mehr als ein Jahr später, sind viele enttäuscht. Im täglichen Leben blüht noch immer die Korruption, wegen des Ölpreisverfalls ist der Lebensstandard gesunken. Reformen gingen bisher nur langsam voran. Auch, weil es in Buharis regierendem All Progressives Congress (APC) keineswegs Einigkeit über den künftigen Kurs gibt. Zugleich ist die Regierung mit der Kritik jener bisher wohlhabenden Nigerianer konfrontiert, die von den Antikorruptionsmaßnahmen doch getroffen werden. Diese gelten als einflussreich, entsprechend deutlich fällt die Kritik in den Medien aus. Das wiederum bedrängt die Regierung – sie flüchtet zunehmend in alte autoritäre Muster. Und nun soll auch die "Kampagne gegen die Indisziplin" wiederaufleben.

170.000 Kämpfer für die Ordnung

Zwar betont die Regierung, dass es nicht erneut Körper- und Gefängnisstrafen für undiszipliniertes Verhalten geben soll. Das Ausmaß des neuen "War Against Indiscipline", den die Regierung mit dem Akronym WAI abkürzt, ist dennoch beachtlich: 170.000 in grelles Grün gekleidete Freiwillige sollen der neuen Organisation angehören, die im 170-Millionen-Einwohner-Land für Ordnung sorgen will, so die Regierung.

Dass sie – so wie in den 1980er-Jahren – selbst zu Empfängern von Korruptionsgeldern werden oder ihre Macht zu persönlichem Vorteil nutzten, möchte die Regierung zwar verhindern. Wie, darüber gibt es vorerst aber ebenso wenig Auskunft wie zur Frage, welche Strafen die Freiwilligen verhängen dürfen. Ein Wiederaufleben der zwangsweisen Turnübungen scheint aber durchaus denkbar.

Weitere Sondervollmachten gefordert

Zugleich wird auch in Sachen Regierungsführung der Ton schärfer: Wie Mitte der Woche bekannt wurde, will sich Buhari Sondervollmachten sichern. Er wolle damit die Wirtschaft ankurbeln, sagt sein Sprecher. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass die Regierung dafür einen "wirtschaftlichen Notstand" ausrufen werde, um dem Präsidenten so die nötigen Schritte zu ermöglichen. Argumentationsgrundlage dafür sind auch Inflation und die Abwertung der Landeswährung Naira: Erstere betrug zuletzt 16 Prozent, der Naira verlor allein seit Juni 40 Prozent seines Wertes im Vergleich zum US-Dollar.

Zwar sollen sich die Maßnahmen zunächst vor allem auf die Wirtschaft – und hier besonders auf die Korruption – beziehen. Dass mit der gleichen Argumentation aber auch andere demokratische Mechanismen ausgehoben werden könnten, liege nahe, so Kritiker der Regierung: Auch der Aufstand der Rebellen im Nigerdelta, der größten Ölabbauregion des Landes, könnten einfach als Feinde des Aufschwungs bekämpft werden, sollte sich ein jüngst ausgehandelter Waffenstillstand nicht als haltbar erweisen. Gleiches ließe sich über andere innenpolitische Gegner Buharis sagen – eine eigene, ihm treue Gruppe hätte der Präsident dann jedenfalls: Seine 170.000 Freiwilligen im Kampf gegen die Indisziplin. (Manuel Escher, 26.8.2016)