Tunis – Nach dem Vertrauensvotum im Parlament hat die neue tunesische Einheitsregierung am Samstag ihren Amtseid abgelegt. Ministerpräsident Youssef Chahed und seine 26 Minister sowie 14 Staatssekretäre schworen vor Präsident Beji Caid Essebsi, die Verfassung zu achten und im Interesse Tunesiens zu handeln. Der 40-jährige Chahed ist der jüngste Ministerpräsident in der modernen Geschichte des Landes.

Sein Kabinett hatte am Freitagabend das Vertrauen des Parlaments erhalten. Das tunesische Parlament korrigierte am Samstag das Abstimmungsergebnis vom Vorabend, da eine Stimme nicht berücksichtigt worden war. Demnach sprachen der Regierung 168 von 195 anwesenden Abgeordneten das Vertrauen aus. Es gab zudem 22 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Nach einer offiziellen Übergabe durch den scheidenden Regierungschef Habib Essid soll die Regierung am Montag mit ihrer Arbeit beginnen.

Vertrauen entzogen

Das Parlament hatte Essid Ende Juli das Vertrauen entzogen. Dem seit eineinhalb Jahren regierenden Politiker wurde vorgeworfen, nicht die richtigen Antworten auf die gegenwärtige Krise in Tunesien zu finden. Angesichts der Kritik sprach sich Präsident Essebsi bereits Anfang Juni für eine Regierung der nationalen Einheit aus. Nach dem Misstrauensvotum beauftragte Essebsi Anfang August dann Chahed mit der Bildung der Regierung.

Zu Beginn der Parlamentsdebatte am Freitag warb Chahed eindringlich um das Vertrauen der Abgeordneten. Eine Einheitsregierung sei "notwendig", um den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in Tunesien zu begegnen. "Wir sind bisher unfähig gewesen, die Ziele der Revolution umzusetzen", sagte er. Alle seien dazu aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und "Opfer zu erbringen".

Das nordafrikanische Land steht unter dem Eindruck mehrerer islamistischer Anschläge, die dem Tourismus schwer geschadet und die ohnehin herrschende Wirtschaftskrise weiter verschärft haben. Chahed gehört Essebsis Partei Nidaa Tounes an. Kritiker bemängeln, dass mit Chahed ein Vertreter der scheidenden Regierung das Ruder übernimmt. Sie verweisen zudem darauf, dass der bisherige Minister für kommunale Angelegenheiten ein angeheirateter Verwandter von Essebsi ist.

Chahed ist bereits der siebente Regierungschef seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali im Zuge der Proteste vom Jänner 2011. Sein Kabinett ist jünger, außerdem gehören ihm mehr Frauen an als der Vorgängerregierung. Beteiligt sind mehrere Parteien, darunter insbesondere die islamistische Ennahda-Partei, sowie mehrere unabhängige Politiker. (APA, 27.8.2016)